Australien 03 - Tal der Sehnsucht
Warum erzielte der Kerl nicht einen ordentlichen Profit aus diesem Wurf und kaufte sich dafür ein Stück Land, wenn er seine Tochter bekommen wollte?
Auf dem Heimritt nach Wallandool wollte es Launcelot Ryan nicht aus dem Kopf gehen, dass Gleeson den Ryans in die Gegend von Mirool gefolgt war. Es war nicht daran zu rütteln, dass Jack überall im Distrikt beliebt war, aber was hatte er seiner Tochter denn zu bieten? Kate und Grace, seine beiden älteren Töchter, waren bereits an gute, schwer arbeitende Viehzüchter vergeben. Katie hatte er Harry King überlassen, dem die eindrucksvolle Station von Wollongough gehörte, und Grace würde an Pat Cox’ Seite mit Sicherheit ein angenehmes Leben auf den roten Böden des Landes um den Yalgogrin führen. Aber Mary! Seine Gedanken schienen sich regelrecht zu verwirren, wenn er an seine hübscheste Tochter dachte. Er wollte doch nur ihr Bestes, aber wenn es um Jack Gleeson ging, wollte sie um keinen Preis Vernunft annehmen. Ryan wandte sich an seinen Sohn, der auf Marys altem schwarzen Pony saß.
»Kein Wort mehr über Mr Gleesons Avancen gegenüber deiner Schwester Mary«, befahl er streng.
Dann gab Launcelot Ryan seinem Pferd die Sporen, um es in den Galopp zu treiben, und verbannte alle Gedanken an Jack Gleeson aus seinem Kopf.
Kapitel 29
D er scharfe Huf des Kalbes knallte schmerzhaft gegen Rosies Schienbein.
»Autsch! Du kleiner Mistkerl!«, rief sie aus und hüpfte auf einem Bein, doch schon im nächsten Moment hatte sie zwischen die Beine des Kalbes gefasst und seine Hoden gepackt. Sie brachte das Messer so in Position, wie Jim es ihr gezeigt hatte.
»Ich kann es ihm nicht verübeln«, sagte Jim und lud die nächste elektronische Marke in das Schießgerät. Es war sein erster Versuch einer scherzhaften Bemerkung an jenem Tag, und Rosie sah mit einem erleichterten Lächeln zu ihm auf. Sein Schweigen hatte ihr zu schaffen gemacht.
Heute trennten sie die frühen Kälber von den Müttern und führten sie in die Gestelle. Anfangs hatte Rosie angenommen, Jim sei nur müde und habe keine Lust zu reden. Aber im Verlauf des Tages war unübersehbar geworden, dass ihn irgendwas beschäftigte. Solange im Pferch nebenan die Kühe muhten und die Kälber entsetzt aufschrien, wenn sie beim Markieren das Messer zu spüren bekamen, unternahm Rosie nicht einmal einen Versuch, ihn zu fragen, was ihn beschäftigte. Das müsste bis zum Abend warten.
Sie griff nach der Impfspritze und jagte die Nadel durch die ledrige Haut des Kalbes. Dann ging sie zum nächsten Kalb weiter.
»Auf das hier habe ich gewartet«, verkündete sie, als sie schließlich das letzte Kalb aus dem Gestänge ließ.
Während sie auf der Heckklappe des Pick-ups saß und die Ohrmarken ordnete, schaute Rosie immer wieder zu jener fernen Hügelkette auf, wo tief im Busch die Hütte stand. Sie dachte an die Nächte zurück, die sie dort mit Jim verbracht hatte. Obwohl es nur ein paar Monate her war, kam es ihr vor wie aus einem anderen Leben. Seither war so viel auf der Farm und in ihrer Familie passiert. Rosie seufzte. Damals, in jenen ersten Tagen, hatte sie das Gefühl gehabt, dass sie beide füreinander bestimmt waren, aber in letzter Zeit wirkte Jim distanziert und in sich gekehrt. Sie rätselte, was sie noch sagen konnte, um ihm klar zu machen, wie viel er ihr bedeutete. Dass sie ihn nicht nur hier haben wollte, damit die Arbeit auf der Station erledigt wurde. Dass es ihr scheißegal war, was die Leute dachten.
Jetzt ließ er sich neben ihr nieder. Sie legte die Hand auf seinen Schenkel und spürte zu ihrer Erleichterung die Wärme von Jims Hand, die er auf ihre gelegt hatte. Sie wandte sich ihm zu und wollte ihm gerade erklären, wie sehr sie ihn liebte, als Margaret sie vom Haupthaus aus rief.
»Besuch für dich, Rosie!«
Dubbo trat hinter Margaret hervor. Er kam zu den Rinderpferchen herüber, zurechtgemacht und korrekt gekleidet mit einem rotgestreiften Hemd und Hosen aus Englischleder. Seine Stiefel blinkten, und sein dünnes, blondes Haar war frisch gestutzt.
»O Mann!«, sagte er, als er Rosies windschiefen Hut, ihr dreckverschmiertes Gesicht und das getrocknete Blut an Händen und Kleidern in Augenschein genommen hatte. »In Arbeitsklamotten habe ich dich noch nie gesehen!«
Rosie sah achselzuckend an sich herab. Jim hievte geräuschvoll die halbe Regentonne mit den Geräten zum Markieren vom Heck des Pick-ups. Er nahm Dubbo mit einem knappen Nicken zur Kenntnis.
»Ich geh’ das Zeug
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