Australien 03 - Tal der Sehnsucht
fallen, das er in der Hand gehalten hatte.
»Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll! Vielleicht sind tatsächlich alle Männer Arschlöcher!«
»Das zeigt, was du wirklich von mir hältst.«
Jim kehrte um, lief ins Quartier und knallte die Tür so wütend hinter sich zu, dass die Fensterscheiben klirrten und die Welpen aufgeregt herbeigerannt kamen, um sich um Rosies Stiefel zu scharen. Schluchzend schickte Rosie die Welpen in ihren Zwinger zurück. Dann ging sie in die Hocke und hielt sich an Chester fest, der ihr die Tränen von den Wangen leckte. Sowie sie die Worte ausgesprochen hatte, wusste sie, dass sie nicht wahr sein konnten. Dubbo log. Er war eifersüchtig, und er trauerte immer noch um Sam. Rosie drückte Chester ein letztes Mal fest an sich und stand auf. Sie musste Jim um Verzeihung bitten.
Sie fand ihn im Stall, wo er seine Pferde aus den Boxen führte. Sein Pferdehänger stand mit offener Klappe im Hof. Sein grimmiges Gesicht war knallrot angelaufen.
»Was tust du da?«, fragte Rosie und versuchte dabei, das ängstliche Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken.
»Wonach sieht es denn aus?«
Er führte seine Stute und sein Fohlen in den Anhänger und schloss die schwere Klappe mit einem Scheppern. Dann rannte er direkt an Rosie vorbei und verschwand im Arbeiterquartier. Rosie folgte ihm, immer panischer werdend, je mehr Kleider Jim in seinen abgewetzten Reisesack schleuderte.
»Ich habe die Nase voll von deiner Familie und deinen piefigen Freunden, die mich wie Abschaum behandeln«, erklärte er ihr gepresst.
Rosie machte den Mund auf, um ihm zu widersprechen, aber zusehen zu müssen, wie Jim seine Sachen in die Tasche stopfte, verschlug ihr die Sprache.
»Das zwischen uns läuft einfach nicht, Rosie. Uns trennen Welten. « Er zerrte am Reißverschluss.
»Aber du darfst mich nicht verlassen!« Rosie packte ihn am Arm.
Jim sah sie mit schmalen Augen an.
»Wieso? ›Weil du ohne Handlanger nicht klar kommst?‹«
»Das bist du nicht für mich! Hör auf mit dem Scheiß! Du weißt, dass du mir viel, viel mehr bedeutest. Spürst du das nicht?«
»Nach dem, was du vorhin gesagt hast, weiß ich einfach nicht mehr, was ich glauben soll.«
Jim stapfte zu seinem Pick-up, knallte die Tasche auf die Ladefläche und pfiff seinen Hunden. Er öffnete Bones die Beifahrertür und hievte den alten Hund in die Kabine.
»Jim. Nicht. Bitte.« Rosie schluchzte. Jim knallte die Tür zu. Dann kurbelte er das Seitenfenster herunter und sah sie an. In seinen Augen standen Tränen.
»Du weißt, dass ich dich liebe, Rosie.« Seine Stimme drohte zu versagen, aber gleich darauf hatte er sich wieder gefangen. »Aber mit einem anderen bist du besser bedient.«
»Jim, fahr nicht. Lass uns darüber reden.«
Doch er drehte den Zündschlüssel und brauste davon.
Wallandool Station, 1878
Der Fiedler zog den Bogen über die Saiten, und Jack warf Mary hoch in die Luft, die breiten Hände fest um ihre schmale Taille gelegt. Ihr weißes Kleid war aufs Hübscheste mit winzigen Seidenröschen gesäumt. Ihre Wangen waren vom Tanzen gerötet. Die Freunde aus dem Distrikt umtanzten klatschend Braut und Bräutigam, während die jüngeren Kinder aus der Ryanschen Sippschaft auf der Seitenveranda, wo der Grog stand, mit ihren Freunden Unfug trieben.
Immer wenn Jack Mary an sich drückte, roch er den Zitronenblütenduft in ihrem Haar. Er schloss die Augen und wirbelte sie noch einmal über den Tanzboden. Mary Ryan hieß von nun an Mary Gleeson. In diesem Augenblick, bei seinem Hochzeitstanz in der Abenddämmerung vor dem Haupthaus auf Wallandool, war Jack überzeugt, der glücklichste Mensch auf Erden zu sein.
»Es ist doch gewiss bald Zeit zu gehen?«, erkundigte sich Jack und küsste Mary auf die Halsbeuge, wo er ihren Duft einatmen konnte. Sie lachte und küsste ihn ihrerseits auf die Wange.
»Ich werde Ma suchen, damit sie meine Sachen zusammensucht. Dad kann inzwischen den Buggy fertig machen.«
Jack zwängte sich durch das Gedränge auf dem Tanzboden und machte sich auf die Suche nach Launcelot Ryan. Er saß an einem Lagerfeuer, von dem aus helle Funken in den dunklen Juliabend stoben. Er nickte Jack zu.
»Mary ist abfahrbereit. Sind die Pferde schon eingeschirrt?«, wollte Jack wissen.
Ryan erhob sich.
»Du beweist Beharrlichkeit, Jack Gleeson, das muss man dir lassen. « Er legte die Hand auf Jacks Schulter und sah ihm geradeheraus ins Gesicht. »Aber wenn du ihr irgendwann ein Leid zufügen solltest, dann gnade
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