Australien 03 - Tal der Sehnsucht
»Beziehungsunfähigenparkplätze« für Menschen wie sie gab. Dann marschierte sie energisch durch die Krankenhaustür.
»Kann ich Ihnen helfen?«, hörte sie die näselnde Stimme der maushaarigen Schwester am Empfang.
»Äh, ich weiß nicht so recht. Ich möchte einen Patienten besuchen. Einen Mr … Mr Dubbo?«
Die Empfangssekretärin sah sie zweifelnd an. Es war kein guter Morgen.
Als Rosemary Dubbo endlich gefunden hatte, lag er dösend in seinem Privatzimmer. Sein Arm war eingegipst. Der Gips war von seinen Freunden mit einem Filzstift bearbeitet und mit dem Markenbären von Bundaberg Rum verschönert worden. Rosemary lief ein Schaudern über den Rücken, als sie erkannte, dass Dubbos Beine in eine Art Stahlrahmen gespannt waren. Auf seinem Gesicht leuchteten immer noch blaue Flecke, und seine blonden Haare waren verfilzt. Als Rosemarys klickende Schritte ihn weckten, konnte er ihr kaum in die Augen sehen.
»Ich brauche wohl nicht zu fragen, wie es dir geht«, sagte sie leise.
»Ging schon besser«, sagte er und schaute zum Fenster, obwohl die Jalousien zugezogen waren.
»Kann ich was für dich tun?«
»Wieso solltest du was für mich tun wollen?«, fragte Dubbo verbittert. Dann herrschte verlegenes Schweigen. Langsam rannen Tränen aus Dubbos Augen. Es war merkwürdig, einen so großen Mann weinen zu sehen. Seine Stimme blieb tief und kräftig, als er wieder und wieder: »Es tut mir so Leid …« schluchzte. Dennoch wollte er sie immer noch nicht ansehen.
Rosemary ging um sein Bett herum, sodass er ihrem Blick nicht länger ausweichen konnte.
»Ich muss wissen, was wirklich passiert ist«, sagte sie.
Dubbo schüttelte den Kopf, und wieder glänzten Tränen in seinen Augen. Sie beugte sich vor und legte die Hand auf seinen Arm.
»Ich muss es wissen.«
»Ich weiß es nicht mehr«, gab er grob zurück. Dann hob er den eingegipsten Arm an die Stirn.
Rosemary ließ nicht locker. »Warst du betrunken?«
»Nein!«
»Habt ihr rumgealbert?«
»Weiß ich nicht mehr!«
Rosemary merkte, wie ihre Stimme wütender wurde.
»Warum ist es dann passiert? Warum ist Sam gestorben?«
Dubbo wich zurück.
»Ich war es nicht! Ich wollte das nicht! Ich kann nichts dafür!« Dubbo verzog schmerzvoll das Gesicht.
Rosemary ging neben seinem Bett in die Hocke. »Erzähl es mir. Bitte.«
Dubbo wand sich, als in seinem Kopf seine letzte Erinnerung an Sam aufblitzte. Sam hatte nichts als seine Stiefel angehabt. Sein bleicher Leib hatte in der dunklen Nacht geleuchtet. Er hatte sich von außen in das Fenster auf der Fahrerseite des Pick-ups gebeugt und versucht, Dubbo Jillians BH über die Ohren zu ziehen, während Dubbo ihn lachend angeschrien hatte, damit aufzuhören. Im Rückspiegel hatte Dubbo die nackten Brüste von Jillian aufblitzen sehen, die kreischend versucht hatte, Sam auf die Ladefläche zurückzuziehen. Im selben Moment hatte der Viehfänger einen Wegweiser aus der Verankerung gerissen. Erst kam das widerlich gellende Reißen des Metalls, als sich der Pick-up wieder und wieder und wieder überschlagen hatte. Danach nichts mehr. Jetzt, im Krankenhaus, kniff Dubbo die Augen zusammen und versuchte, die Übelkeit hinunterzuschlucken. Rosemary setzte ihm noch mal zu.
»Er war nicht vorn bei dir, stimmt’s?«, fragte sie ruhig.
Der Muskel in Dubbos Kiefer zuckte.
»Er war zusammen mit Jillian hinten auf der Ladefläche, stimmt’s?«
»Hör auf! Es ist nun mal passiert, jetzt hör auf!«
»Sie waren zusammen hinten, stimmt’s? In Sams Schlafsack.« Tränen füllten Rosemarys Augen, weil sie daran denken musste, wie sie Sam kurz vor Weihnachten angefleht hatte, sie zu einem Campdraft-Wettbewerb im Hinterland von Queensland mitzunehmen. Er hatte abgelehnt, weil es dort keine Motels gab und es ihr bestimmt nicht gefallen würde, mit ihm in seinem miefigen Schlafsack im Pferdeanhänger zu übernachten.
»Ich kann nichts dafür«, sagte Dubbo noch mal. »Es war Sam … er… er hat Scheiß gebaut. Mit Jillian. Er… sie… haben mich abgelenkt. «
Er sah Rosemary verzweifelt an, und sie erkannte, dass dies nicht Sams erster Betrug gewesen war. Sie stand auf und wollte gehen.
»Es tut mir Leid«, sagte Dubbo. »Manchmal hat er sich wie ein Arschloch aufgeführt. Ein richtiges Arschloch.«
»Ich weiß«, sagte sie. Dann nahm sie ihre Handtasche und ging.
Kapitel 5
R osemary konnte sich kaum erinnern, wie sie von Hamilton heimgekommen war. Die ganze Zeit über sah sie Sam und Jillian im Schlafsack vor sich,
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