Australien 03 - Tal der Sehnsucht
heiser.
»Elizabeth und ich würden uns freuen, wenn du uns besuchen kämest. Du sollst nicht das Gefühl haben, dass du dich von uns fern halten musst.«
»Ach«, sagte sie, bemüht, die richtigen Worte zu finden. »Danke. Das ist sehr nett.« Dann starrte sie wieder auf den Teppich, und in ihrem Herzen nistete sich die Kälte ein.
Kapitel 4
R eich bitte deinem Vater die Soße.« Margaret setzte sich an den Esstisch, einen lila Papierhut auf den Kopf geklemmt und das Gesicht hektisch gerötet. Rosemary nahm die Soßenschale, sah ihrem Vater aber nicht in die Augen, während sie ihm die Sauciere reichte. Ihr Blick lag fest auf dem Plastikkrimskrams und den zerrissenen, glänzenden Verpackungen der Glückwunschkekse, mit denen der Tisch übersät war.
Julian begann, einen grauenhaften Witz vorzulesen, der auf dem Papier in seinem Keks stand, während Margaret dicke Scheiben Schinken und Truthahn aufschnitt und einen Teller vor Rosemary hinstellte.
»Nimm dir auch von dem Gemüse. Es gibt frisch gepalte Erbsen«, sagte ihre Mutter und reichte ihr die Schüssel vom Sideboard.
Rosemary fühlte sich elend. Wie konnten sie sich so aufführen? So tun, als sei nichts geschehen? Sam war erst vor drei Wochen beerdigt worden. Hatten sie das schon vergessen? Sie rammte die Gabel in eine dampfende Ofenkartoffel.
»Sollen wir den Baum vor oder nach dem Dessert schmücken? «, fragte Margaret leichthin.
»Scheiß doch auf den Baum«, entfuhr es Rosemary.
Gerald, der während der vorweihnachtlichen Schur wie üblich missgestimmt war, warf ihr einen wütenden Blick zu. Ihre Mutter erstarrte und leerte dann in einem Zug ihren gigantischen Weinkelch. Mit zitternden Händen fasste sie nach der Flasche. Julian senkte den Kopf und schob mit der Gabel das Essen auf seinem Teller herum.
Die Familie aß in tiefem Schweigen, das nur von dem Klirren der Messer und Gabeln durchbrochen wurde.
Schließlich sagte Margaret: »Also dann, fröhliche Weihnachten, verflucht noch mal.« Sie warf ihre weiße Leinenserviette auf den Tisch. »Ich hole das Dessert, und anschließend können wir deinen angeschissenen Baum schmücken, Rosemary.« Damit stakste sie aus dem Zimmer.
Schuldbewusst deckte Rosemary den Tisch ab. Auf dem Weg zur Küche hörte sie die alte Glocke vor der Haustür dreimal anschlagen. Verwundert, wer sie am Weihnachtstag besuchte, setzte sie die Teller auf der Kommode im Flur ab und ging die Tür öffnen. Ihr Gesicht erstrahlte.
»Giddy! Ach, Tante Giddy!«, sagte sie und warf sich ihrer Tante in die ausgebreiteten Arme.
»Mein liebes Mädchen«, sagte Giddy und schloss Rosemary in eine warmherzige Umarmung. Rosemary atmete den verführerischen Duft von Sandelholz ein.
»Mein armes, armes liebes Mädchen.« Sie strich Rosemary übers Haar, und Rosemary spürte, wie in ihren Augen Tränen zu brennen begannen. »Wie geht es dir?«
Giddy hielt sie auf Armeslänge von sich weg, sah ihr ernst ins Gesicht und suchte nach dem Schmerz, den Rosemary in sich trug. Rosemary versuchte sich an einem Lächeln, spürte aber, wie sich ihr Gesicht verzog, weil die Gefühle sie überwältigten. Giddy schloss sie wieder in die Arme.
»Schon gut, mein Baby. Ich bin ja da.«
Sie nahm Rosemary bei der Hand. »Schikaniert dich meine Schwester immer noch so?«
Rosemary nickte und lenkte Giddys Blick auf die weiße Laura-Ashley-Bluse, die ihre Mutter ihr für diesen Feiertag aufgezwungen hatte.
»Na, dann komm«, sagte Giddy, schob ihren Arm in Roses und hob ihren Korb hoch. »Wollen wir mal sehen, ob wir ein bisschen Schwung in die Bude bringen können.«
Lächelnd spazierte Rosemary neben ihrer Tante den Flur hinunter.
»Gott, ist das still hier«, flüsterte Giddy verschwörerisch. »Dabei ist Weihnachten, verflixt noch eins! Lass uns für ein bisschen Spaß sorgen!«
Doch dann blieb Giddy wie angewurzelt stehen, weil Margaret im Flur erschienen war.
»Was machst du hier?«, fragte Margaret kühl.
»Dir auch frohe Weihnachten«, gab Giddy zurück, ohne dass ihrer Miene etwas anzumerken gewesen wäre. Margaret bedachte sie mit einem grimmigen Blick. Giddy schob ihre Hand ins Roses.
»Du hast doch nicht geglaubt, dass ich Rose in einer so schweren Zeit allein lassen würde? Denk nicht immer nur an dich, Margaret. Rosemary braucht jetzt Trost.«
Margaret zuckte, bewahrte aber Haltung.
»Glaub bloß nicht, dass du hier übernachten kannst«, sagte sie. »Das werde ich nicht zulassen.« Damit rauschte sie in die Küche ab.
Auf dem
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