Australien 03 - Tal der Sehnsucht
mehr liegen.«
»Aber die Verkaufsberichte liefert Billy O’Rourke, und das schon seit Jahren! Er kennt die Rinder. Er kann beim besten Willen kein Foto machen, und wenn sein Leben daran hinge, aber die Männer auf den Märkten reden mit ihm. Die Farmer würden eine Krise kriegen, wenn jemand wie du in nagelneuen Stiefeln aufkreuzen würde, um über so komplexe Sachen zu schreiben, die für sie von größter Bedeutung sind… und die Farmberichte schreibe ich selbst, das weißt du genau. Das ist mein Ressort.«
»Könnten wir uns nicht wöchentlich abwechseln?«
»Nein! Man braucht Kontinuität, wenn man die Märkte und die Trends im Auge behalten will. Rosemary, bitte, mach es mir nicht so schwer. Du bist wie geschaffen für die Gesellschaftsseite.«
Rose spürte Neid in sich aufkeimen. Sie wollte endlich ihrem Leben entkommen. Wie Billy O’Rourke sein, ein Exscherer, Viehtreiber, Zureiter. Ein Mann, der sich ganz entspannt unter den Farmern bewegte und immer einen Kelpie zu seinen Füßen hatte.
»Gib mir wenigstens eine Chance!«
Duncan schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht.«
»Bitte!«
»Wie gesagt, du bist wie geschaffen für die Gesellschafts- und für die Handarbeitsseite. Es tut mir Leid.«
»Nein, tut es nicht. Du hast mir diesen Job nur wegen meiner Mutter gegeben. Du hast Angst vor ihr! Wenn du mal nicht davon träumst, sie zu poppen. Du bist ein Jammerlappen!«
»Es reicht, junge Dame!« Duncan wich unter diesem ungeahnten Ausbruch zurück. »Wenn ich nicht wüsste, was du in letzter Zeit durchgemacht hast, würde ich dich auf der Stelle feuern! Nimm dir den Rest des Tages frei. Ich will dich hier erst wieder sehen, wenn du dich wieder eingekriegt hast.« Die Farbe stieg aus Duncans Hemdkragen auf, bis sein Hals rot-weiß marmoriert war. Derek umtanzte sie beide laut kläffend.
»Na schön«, sagte Rosemary mit zusammengebissenen Zähnen. »Dann gehe ich jetzt zum ersten Mal in meinem Leben ins Pub.« Sie schnappte ihre Handtasche, deren Lackleder in auffälligem Kontrast zu ihren Arbeitskleidern stand, und kehrte auf dem Absatz um.
»Rosemary! Warte!«
Sie drehte sich noch einmal um, die Wangen flammend rot, und spie ihm entgegen: »Was denn?«
»Mein Gott, Rose«, sagte Duncan ungerührt. »Mach wenigstens das Preisschild von deinen neuen Stiefeln ab. Du siehst aus wie eine Stadtpflanze.«
Betreten stand sie da, während Duncan mit der Schere in die Hocke ging, um das Preisschild von ihrem Stiefel zu schneiden. Müde lächelte er zu ihr auf. »Und wenn du schon dabei bist, dann trink einen für mich mit.«
Das Pub war wie im Nachmittagslicht gebadet. Die Sonne schien jede durchgewetzte und fleckige Stelle auf dem rot-golden gemusterten Teppichboden und jeden Riss in der alten braunen Tapete hervorzuheben. Aber Rosemary war das egal, sie atmete tief den abgestandenen Bier- und Zigarettendunst ein und ließ ihre angespannten Nerven vom monotonen Singsang der Kommentatoren auf dem Sportkanal beruhigen. Schon immer hatte sie einmal in den Pub in der Ortsmitte gehen wollen. Sie hatte gehört, dass dort die Arbeiter im Ort trinken gingen. Zu ihrer Enttäuschung war weit und breit kein Schafsscherer zu sehen. Genauer gesagt gab es außer ihr nur einen weiteren Gast. Sie hätte für ihr Leben gern mit ein paar Schafsscherern getrunken und ihren Unterhaltungen gelauscht … wie jenen, die abends von den Quartieren zu ihrem Zimmer hochgeweht waren.
Sie kletterte auf einen Hocker und ließ ihren Blick ans andere Ende der Bar wandern. Sie hatte einen grauhaarigen, fassbäuchigen Barkeeper mit riesiger Erdbeernase erwartet, aber der Barkeeper war jung, braun gebrannt und gut aussehend.
Er zapfte gerade ein Bier, das er vor dem krustenlippigen Stammgast abstellte, der zusammengesunken auf seinem Hocker kauerte. Dann kamen seine flinken braunen Augen auf ihr zu liegen.
»Was darf’s sein, Darling?«
»Äh … ich weiß nicht.«
»Ein Bier?«
»Ja. Danke.«
»Groß?«
»Verzeihung?«
Er hielt zwei verschieden große Gläser hoch.
»Das größere, danke«, sagte Rosemary.
»Gute Wahl, Liebes.« Er zwinkerte ihr freundlich zu, als er es vor ihr abstellte.
Das Bier fühlte sich eiskalt in ihrer Hand an. Sie hob es an den Mund und nahm vorsichtig einen Schluck. Es kitzelte im Rachen. Dann kippte sie das ganze Glas in einem Zug hinunter. Der Pubwirt lehnte am Kühlschrank, die Arme vor der kräftigen Brust gefaltet, die Beine übereinander geschlagen. Mit schief gelegtem Kopf
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