Australien 03 - Tal der Sehnsucht
natürlich, nicht in einer Tasse – und einen Teller mit Keksen – aus der Packung, nicht selbst gebacken – zusammenzustellen.
Rosie schlüpfte eilig in ihre Jeans. Immer noch im Unterhemd hüpfte sie barfuß über den Hof und knallte die Fliegentür vor dem Wintergarten zu.
»Verzeihung«, sagte sie mit hochrotem Kopf, bevor sie an Jim vorbei ins Haus rannte. Er schaute ihr nach, schlug die Beine übereinander und begann, in der vorletzten Ausgabe der Weekly Times zu blättern, während er sich im Stillen fragte, was in aller Welt mit dieser Familie los war.
In der Küche zischte Rosie ihre Mutter an: »Was sollte das?«
»Ich kann doch nichts dafür, dass du nicht angezogen bist.«
»Nein! Nicht das!«
Margaret kippte kochendes Wasser in die Teekanne – die alte aus Porzellan, nicht die feine Silberkanne. »Nun, wie soll ich meine Tochter denn sonst wieder ins Haus bekommen, wo sie hingehört? Und für Gerald ist es die positive Überraschung, die er so dringend braucht. Jetzt, wo Julian weg ist, ist es noch wichtiger, ihn glücklich zu machen.«
»O Mann, Mum!« Rosie war entnervt. »Wir kommen super zurecht – und außerdem könnte nichts Gerald glücklich machen. Er wurde schon miesepetrig geboren.«
»Hör zu«, mahnte Margaret, »dein Vater ist kurz davor, uns zu verlassen. Ich kann das spüren.«
»Hör auf, so paranoid zu sein«, zischte Rosie sie an. »Und außerdem ist er nicht mein Vater! Klar?«
Margaret schüttelte traurig den Kopf. Rosie kniff die Augen zusammen.
»Wo hast du diesen Typen überhaupt aufgelesen? Auf einer Müllkippe?«
»Sei nicht albern, Rose. Ich habe ihn kennen gelernt, als ich Mr Seymour das Essen brachte. Ihre Familien sind in Irland verwandt, und Mr Mahony besucht den Western Distrikt in der Hoffnung, auf einer Station Arbeit zu finden.«
»Ach so. Und worin ist er gut – im Kartoffelpflanzen?«
»Er hat mehr Erfahrung in der Schafzucht als du, junge Dame, darum will ich keine Widerrede mehr hören.«
Margaret kehrte Rosie den Rücken zu und ließ sie allein in der Küche stehen. Sie trug das Tablett in den Wintergarten und setzte unterwegs ein gütiges Lächeln auf. Um ihre Ehe zu retten, würde sie alles tun, auch diesen jungen Mann zum Bleiben bewegen.
Kapitel 14
W eiches Sonnenlicht kroch durch die Balkontüren im ersten Stock und erhellte langsam den Raum. Rosie setzte sich auf, das Haar zu einem Vogelnest zerzaust und immer noch grollend nach der durchwachten Nacht im eigenen Bett. Sie kam sich vor wie eine Gefangene. Die Holzdielen fühlten sich kalt unter den nackten Füßen an, als sie zum Fenster tappte und verstohlen in den Hof hinabsah. In der Unterkunft brannte Licht, aber Jim war nicht zu sehen. Die ganze Nacht durch hatte sie sich vorzustellen versucht, wie er in dem Raum schlief, der bis vor kurzem noch ihrer gewesen war. Stinkwütend auf ihre Mutter, die sie mit dieser Überrumpelung ins Haus zurück gezwungen hatte, biss sie die Zähne zusammen.
Rosie durchquerte den Raum, zog die Balkontüren auf und trat in Unterhemd und Unterhose nach draußen. Auf der anderen Talseite begann die Sonne, die abgegraste Weide zu bescheinen. Ein feiner, weißer Dunst lag über dem Buschland in der Talsenke. Rosie atmete tief ein und begann, ihren Tag zu planen. Sie würde mit Gerald zusammenarbeiten und ihm beim Klauenschneiden helfen. Sie streckte die Arme nach oben. Obwohl sie immer noch müde war, hatte sich ihr Körper noch nie so gut angefühlt. In ihren Armen ballten sich kleine, neu gebildete Muskeln, die sie voller Stolz anspannte. Zum Spaß ging sie eine Reihe von Bodybuilder-Posen durch. Sie brauchte nur noch etwas Babyöl, dachte sie. Während sie eine imaginäre Hantel hochriss, bemerkte sie aus dem Augenwinkel ein paar hundert Meter vom Haus entfernt eine Bewegung. Sie legte die Hand über die Augen und blickte vom Balkon aus über den Garten. Der neue Viehtreiber trottete auf einem kastanienbraunen jungen Pferd auf sie zu und schaute dabei zum Haus auf. Die Nüstern des jungen Hengstes waren von der Anstrengung weit gebläht, und jeder Atemzug dampfte in einer hellen Wolke. Während Jim den steilen Hügel auf das schmiedeeiserne Tor vor dem Haus heraufgeritten kam, winkte er ihr zu.
»O Gott! O Gott!«, hauchte Rosie und floh in ihr Zimmer, die Hand vor den Mund geschlagen. Jim Malony hatte sie eben dabei beobachtet, wie sie in ihrer Unterwäsche imaginäre Hanteln stemmte. Wie peinlich! Sie ließ sich bäuchlings aufs Bett fallen und
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