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Australien 03 - Tal der Sehnsucht

Australien 03 - Tal der Sehnsucht

Titel: Australien 03 - Tal der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Treasure
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Glucken wich die junge Henne immer weiter zurück, der Dose entgegen. Die Männer schauten schweigend zu, die Hände vor der breiten Brust gefaltet oder tief in den Hosentaschen ihrer Dungarees vergraben. Das halbwüchsige Küken legte den Kopf schief und beäugte misstrauisch die Dose.
    »Kelpie«, kommandierte Jack ruhig. »Komm ran.«
    Kelpie näherte sich der Henne mit genau abgemessenen Bewegungen, wobei sie jedes Mal innehielt, sobald sie merkte, dass das Tier zu fliehen drohte. Mehrere Sekunden verstrichen, bis sich die Henne, scheinbar hypnotisiert durch den starren Blick des Collies, wieder entspannte. Wieder kroch Kelpie vorwärts, bis sie nur noch Zentimeter von der Henne entfernt war. Dann wagte das Huhn, den Kopf scheinbar ergeben gesenkt, einen zaghaften Blick in die runde, dunkle Höhlung der Dose. Die dünnen Lider schoben sich einmal langsam über die braunen Knopfaugen. Ein leises, anerkennendes Raunen lief rundum durch die Männer. Der Mund des pickligen Jungen klappte auf, und Mark leckte sich angesichts des zu erwartenden Gewinns schadenfroh die Lippen. Das Huhn setzte eine Klaue in die Dose, zog den Kopf ein und schob sich mit dem ganzen Körper in die dunkle Höhlung. So blieb es in der Dose liegen, während die Scherer in lauten Jubel ausbrachen. Sie schlugen Jack kopfschüttelnd mit ihren großen, lanolinverschmierten Händen auf den Rücken oder zupften sich am Bart. Die Kinder hüpften aufgeregt herum und klatschten in die Hände.
    »Also, das ist mal ein Ding!«, sagte der größte und stämmigste der Scherer. »So etwas hab’ ich meiner Lebtag nicht gesehen!«
    »Von einem Hund ausgenommen!«, rief ein anderer und zog dabei die leeren Hosentaschen nach außen.
    »Ich hab’ euch doch gesagt, dass Jack und sein Hund den Teufel in die Hölle zurücktreiben könnten, wenn sie wollten«, sagte Mark. Dann schüttelte er das Huhn aus der Dose in den Sack zurück.
    Jacks Blick wanderte über die Menge hinweg zu Mary, die immer noch abseits stand, umtanzt von den begeisterten Kindern. Er zwinkerte ihr wieder zu, und diesmal lächelte sie zurück.
    Aufgemuntert durch das Zwischenspiel zogen die Männer wieder in das düstere Küchenhaus ab, um weiter Karten zu spielen. Mary sprach leise mit ihrer Schwester Clare, die daraufhin die Kinder ins Unterrichtszimmer zurückführte. Mary blieb mit sichtlich geröteten Wangen stehen. Erst als die Männer wieder in ihrem Quartier verschwunden waren, trat sie vor Jack hin.
    »Können Sie mir noch mal zeigen, wie sie die Schafe durch den Stall treibt? Ich habe gehört, sie kann über die Schafsrücken laufen, und zwar von einem Ende des Stalls bis ans andere.«
    Jacks Augen wurden groß. »Sind Sie sicher? Wenn Ihr Vater erfährt, dass Sie mit mir allein sind, wird er mich aufknüpfen lassen.«
    Ohne ein weiteres Wort nahm Mary seine Hand und führte ihn in den Schurstall.
    Drinnen spürte Jack, wie ihm vor Aufregung ganz heiß wurde, als sich Mary dicht neben ihn stellte und ihre kleine, warme Hand an seinem Arm aufwärts schob.
    »Eigentlich möchten Sie meinen Hund gar nicht arbeiten sehen, oder?« Er drehte sich um und sah sie an.
    »Natürlich möchte ich.« Sie lächelte zu ihm auf. »Aber das hat doch Zeit.«
    Jack atmete die feuchte, vom Schafsgeruch schwere Luft ein. Draußen schoben sich schon wieder schwarze Wolken vor die Sonne, und ein dröhnender Donnerschlag ließ den Stall erbeben.
    Mary zuckte zusammen und stieß einen erstickten Schrei aus.
    »Ich habe schreckliche Angst vor Gewittern«, sagte sie, ohne im Geringsten verängstigt auszusehen. Sie schmiegte sich an seine Brust.
    Jack legte die Arme um ihren Rücken.
    »Sie brauchen wirklich keine Angst zu haben, Miss Ryan. Ich habe Sie sicher im Griff«, sagte er.
    »O ja, das haben Sie, Mr Gleeson.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen. Sie küssten sich, während sich draußen das Gewitter in einem Regenguss entlud und der Wind durch die Lüftungsklappen hereinpeitschte, dass die Wollflocken über die Schurstände flogen.

    Das Blechdach schepperte im Wind, und die Hüttentür knallte gegen die Wand. Rosie schreckte aus dem Schlaf. Eingerollt vor dem Kanonenofen liegend blinzelte sie zur Tür. Diesel und Gibbo sprangen auf und begannen, vor Aufregung scharf zu bellen. In der Tür stand eine große Gestalt. Rosie war nicht sicher, ob sie wachte oder träumte, und hielt erschrocken die Luft an.
    »Jim?«, flüsterte sie, weil sie kaum zu hoffen wagte, dass er wirklich und wahrhaftig vor ihr

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