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Australien 03 - Tal der Sehnsucht

Australien 03 - Tal der Sehnsucht

Titel: Australien 03 - Tal der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Treasure
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Küchenhaus getreten und vervollständigte das Hauspersonal, das sich das Schauspiel des »Hühnchens in der Dose« nicht entgehen lassen wollte. Mary führte die Kinder aus dem Unterrichtsraum und scharte sie ein wenig abseits der Männer um sich. Jack sah kurz zu ihr hinüber und zwinkerte. Sie biss sich auf die Lippe, um nicht zu lächeln.
    Wie jedes Mädchen, das auf einer Station im Westen aufgewachsen war, war Mary daran gewöhnt, dass die jungen Wanderarbeiter kamen und gingen und mit ihr und ihren Schwestern flirteten. Aber Jack war anders als die anderen. Er hatte etwas Ernsthaftes und Sanftes an sich, und sie hätte ihm ewig zuhören können, wenn er von seinen Tieren erzählte, angefangen von dem faulen, alten Faulpelz bis zur aufgeweckten, jungen Kelpie. Mit seiner von der Arbeit im Freien gegerbten Haut und seinen rauen, dreckigen Händen strahlte Jack etwas Ungezähmtes aus, aber gleichzeitig hatte er ein hübsches Gesicht mit blauen Augen und hohen Wangenknochen und kurzes, ordentlich geschnittenes Haar. Anders als die übrigen Männer war er sonntags immer rasiert und hatte ein glattes Gesicht. Er sprach sogar wie ein feiner Herr. Mary spürte eine Gänsehaut, als er sich aus der Gruppe der Männer löste und zusammen mit Kelpie in den Kreis trat.
    »Es werden keine Wetten mehr angenommen«, rief Mark und stellte den Hut auf einem Pfosten ab. Dann legte er eine alte Dose in die Mitte des Kreises. Sie lag seitlich im Schmutz, doch die glänzende Oberfläche funkelte in der Sonne. Im nächsten Moment griff er nach einem Sack, aus dem er, am Rand des Menschenringes, ein aufgeschrecktes Huhn schüttelte. Es war kein flauschiges Küken mehr, aber auch noch kein ausgewachsenes Tier. Die kleinen Knopfaugen und der stumpfe Schnabel wirkten noch kükenhaft, doch es hatte bereits die langen, festen Beine einer erwachsenen Henne. Es flatterte mit den winzigen Flügeln und plusterte sich auf, um das Gefieder zu richten, und piepte dann ängstlich, während sich die Augen der grellen Sonne anzupassen versuchten. Die Männer schauten gespannt auf das Federtier und die Dose.
    »Nie im Leben!«, rief ein pickelgeplagter Tagelöhner. »Das schafft er auf keinen Fall!«
    Kelpie schaute, vor Spannung zitternd, zu Jack auf. Sie war eben erst sechs Monate alt. Jack hatte sie während der ersten Wochen der Schur auf Ballarook jeden Tag hart arbeiten lassen, aber nichts konnte ihr Bedürfnis, Tiere zu treiben, stillen. Vom Aussehen her war sie eine gewöhnliche Colliehündin, aber ihre Augen zeigten eine ungewöhnliche Intelligenz, wenn sie, die Ohren eifrig aufgestellt, arbeitete. Und arbeiten konnte sie wirklich. Sie konnte einfach alles treiben, von den Hühnern bis zu den Enten, von den Böcken bis zu den Bullen, von den Lämmern bis zu den triefnasigen Kindern, die auf der Station lebten. Kelpies Hirtenhund-Instinkt war so stark, dass sie bisweilen sogar versuchte, die Schwalben zusammenzutreiben, die zwischen den Nestern unter den Giebeln der Außengebäude auf der Station herumschwirrten. Dank einer unverbrüchlichen Verbindung zwischen den beiden war Jack in der Lage, Kelpies Instinkte genau zu lenken. Seine Stimme steuerte ihren Geist, er führte sie in jeder Sekunde. Es war so, als würde sie nur für ihn leben.
    Leise befahl Jack: »Kelpie, nach drüben.« Sie umzirkelte das Huhn im Uhrzeigersinn, wobei sie ungerührt über die Stiefel der Männer trabte, um einen möglichst großen Abstand zu dem Huhn zu halten. Das junge Huhn versuchte aufgeregt und mit abgehackten Schritten zu entfliehen. Aber schnell wie ein Peitschenschlag war Kelpie auf der anderen Seite und verwehrte ihm die Flucht. Sie ließ sich auf den Bauch sinken und wartete kurz ab, bis sich das Huhn beruhigt hatte. Behutsam schob sie erst eine Pfote nach vorn, dann die andere, und schlich auf diese Weise dicht an den Boden gepresst und leise wie eine Katze immer näher an das Huhn heran. Die Henne wich ängstlich zurück, sah aber ihren Weg abgeschnitten, als Kelpie wie von Zauberhand auf der anderen Seite des Rings auftauchte. Ganz langsam trieb Kelpie die Henne in die Mitte des Kreises auf Jack zu.
    Jack stellte sich leise hinter die Dose. Kelpie sah auf. Als wäre sie durch eine Geheimsprache mit ihm verbunden, setzte sie sich in Bewegung, spiegelbildlich zu Jack, und drückte sich auf der anderen Seite der Dose in den Staub, sodass das Huhn genau zwischen ihnen war. Auf Jacks tiefen, leisen Pfiff hin kroch Kelpie vorwärts. Mit einem leisen

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