Australien 03 - Tal der Sehnsucht
fuhr Margaret fort. »Wir sind ihm ja so dankbar. Er hat die Farm während der letzten Monate über Wasser gehalten, nicht wahr, Jim?«
»Ach ja?«, fragte Dubbo misstrauisch.
»Na ja, Rosie hat auch Knochenarbeit geleistet. Sie ist ein zähes Mädel«, schränkte Jim ein.
Plötzlich kam ein rotgesichtiger, rothaariger Scherer herangeschwankt und legte den Arm um Margarets Schultern.
»Hallo, Mrs H-J«, hauchte er ihr mit Säuferfahne ins Gesicht. »Kennen Sie mich noch?«
Margaret sah ihn mit schmalen Augen an, ohne dass ihre Miene eine Spur des Wiedererkennens gezeigt hätte.
»Carrots«, half er ihr auf die Sprünge. »Ich war Ende der siebziger Jahre als Scherer bei Ihnen… bis 1980. Ich war in Billy O’Rourkes Team, bis wir alle rausgeschmissen wurden. Wissen Sie noch?«, hakte er nach.
Margaret wich zurück und wurde knallrot. »Ja«, sagte sie leise. »Ich erinnere mich.«
»Und das da ist Ihre groß gewordene Tochter?« Carrots nickte zu Rosie hin. »Ein heißes Ding. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.« Dann begann er zu lachen und bohrte einen Finger in ihre Rippen. »Wie? Meinst du nicht auch, Margie Darling?«
»Schön, Sie wiederzusehen, Carrots«, sagte Margaret mit fester Stimme. Damit drehte sie ihm den Rücken zu und nippte immer noch mit hochroten Wangen an ihrem Scotch.
Jim legte eine Hand auf den breiten Rücken des Scherers.
»Carrots!«, sagte er fröhlich. »Wie läuft’s denn so? Ich glaube, Damo wartet schon darauf, dass du deine Kugel spielst.« Er nickte zum Billardtisch hin, wo die anderen Spieler auf ihre Queues gestützt das Schauspiel verfolgten.
»O ja, stimmt«, sagte Carrots und schwankte von dannen.
Mein Gott, dachte Rosie entsetzt, könnte dieser Mann mein Vater sein? Sie kippte ihren Drink hinunter. Als sie sich wieder umdrehte, boten ihr Jim und Dubbo gleichzeitig an, einen neuen zu bestellen. Sie hob die Hände. Dann seufzte sie kapitulierend: »Ja bitte. Dann hätte ich gern zwei Drinks.«
Es war kurz vor der Sperrstunde. Dubbo, Margaret, Evan und Julian, Jim und Rosie standen einträchtig in einer Reihe, hatten die Arme über die Schultern gelegt und sangen lauthals Kernaghans »Lasso You«. Alle zusammen befanden sich auf der winzigen Tanzfläche des Pubs, schwenkten die Hüften und ließen imaginäre Lassos über ihren Köpfen kreisen.
» How’s it feel to get wrangled?«, sang Rosie und wiegte sich zur Musik. » Heart’s in a tangle.«
Dubbo schob sich neben sie, setzte die Hände auf ihre schlanken Hüften und versuchte, ihr tief in die Augen zu blicken. Er sang gerade: » I’m not going to hurt you, we’d be too good together.«
Rosie versuchte sich unauffällig aus seinem Griff zu befreien, aber Dubbo drückte sie noch fester an sich. Sie entwand sich seiner Umarmung und tanzte zu Jim hinüber. » This was bound to happen… you’re too cute under your stetson.« Worauf ihr Jim ein Lächeln schenkte, das ihr Herz zum Schmelzen brachte.
In tiefem Bariton »Bap-bapp« singend, hüpften Evan und Julian herum und gaben die Backgroundsänger für Margaret, die in ihrer eigenen, trunkenen Welt verloren war.
Gerade als Rosie aus vollem Hals die letzte Zeile des Liedes sang: » My heart’s made up its mind … lasso you«, packte Dubbo sie erneut und zerrte sie von Jim weg.
»Lass mich los!« Rosie spießte Dubbo mit einem vernichtenden Blick auf und versuchte, seinen eisernen Griff abzuschütteln.
»Du hast es gehört!«, brüllte Jim.
Ehe sich Rosie versah, hatte Jim den ersten Schlag gelandet. Dubbos Kopf kippte zurück, als Jims Faust auf seinem Kinn aufschlug. Dann packte Jim seinen Gegner und schubste ihn zwischen die Tische und Stühle, wo die anderen Gäste erschrocken aufsprangen. Das Lied endete und wurde von dem »Auf geht’s, auf geht’s, auf geht’s«-Gegröhle der Menge ersetzt. Dubbo warf sich seinerseits auf Jim, und beide knallten auf den Boden.
»Aufhören!«, schrie Rosie.
James Dean, Evan und Julian stürzten sich ins Gemenge, zerrten die beiden Streithähne auseinander und befahlen ihnen, sich hinzusetzen. Rosie warf Jim einen verletzten, wütenden Blick zu, ehe sie sich umdrehte und durch die Menge verschwand.
Auf der Damentoilette ließ Rosie die Stirn gegen den Spiegel sinken und schloss für einen Moment die Augen. Sie fühlte sich so schrecklich betrunken. Gleich darauf machte sie die Augen wieder auf und studierte ihr Spiegelbild. Da stand sie in ihren Jeans, ihrem engen, karierten Hemd, das ihre blauen Augen
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