Australien 03 - Tal der Sehnsucht
Rosie. Der Abend hatte so gut angefangen, und nun ging alles in die Brüche. Jim stand abseits, die Hände in die Hosentaschen geschoben, und schaute mit ernster Miene zu. Rosie wollte nur noch weg.
»Können wir uns nicht irgendwie reinquetschen?«, bettelte sie.
»Ich weiß wie!« Julian hatte die Lösung. »Duncan kann den Pajero fahren. In den passen wir alle rein.«
Doch ehe sie wussten, wie ihnen geschah, hatte Duncan Margaret auf den Beifahrersitz verfrachtet. Dann schlug er wie einer der Heinis aus Miami Vice den Kragen hoch und ließ sich auf das quietschende Leder des Fahrersitzes plumpsen. Nach einem kurzen Grollen und Aufheulen des Motors verschwanden die beiden in der Nacht.
»Mum?«, fragte Rosie völlig konsterniert. Sie stand bibbernd in der kalten Nachtluft. Halb wünschte sie sich, Jim würde sie in den Arm nehmen, aber gleichzeitig war sie immer noch wütend auf ihn. Dubbo stand in dem Gedränge vor dem Pub, sah von Zeit zu Zeit herüber und drückte ein feuchtes Tuch auf sein anschwellendes Auge.
»Und jetzt was?«, fragte Evan. »Warum nehmen wir nicht ein Taxi?«
»Ein Taxi? In Casterton?«, fragte Julian. »Es gibt im ganzen Ort nur einen einzigen Taxifahrer, und der ist längst im Bett.«
»Ich weiß nicht, wie es mit euch steht, aber ich werde bei Ronnie Seymour schlafen«, sagte Jim. »Er ist bestimmt noch auf und schaut Sport. Es ist keine luxuriöse Unterkunft, beileibe nicht, aber mir reicht sie. Natürlich weiß ich nicht, ob sie euren Ansprüchen genügt.« Jim sah Rosie an, als wollte er andeuten, dass sie ihr nicht gefallen würde.
Rosie dachte an die schmuddelige alte Hütte, die sie damals mit ihrer Mutter besucht hatte, und an den senilen Alten, der darin wohnte. Sie schauderte in der Kälte. Sie hatte keine andere Wahl, wenn sie nicht mit Dubbo auf irgendeine Party abziehen wollte, und das wollte sie auf gar keinen Fall.
»Können wir mitkommen?«, fragte Julian.
»Klar«, sagte Jim. »Wir müssen da lang.«
Rosie machte sich auf den Weg. Sie konnte es nicht erwarten, die lärmende Menge vor dem Pub hinter sich zu lassen. Sie hatte das Gefühl, dass alle Frauen ausschließlich über sie redeten, und sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass sich Dubbo allmählich in einen Wutanfall steigerte und sich noch mal mit Jim anlegen würde.
Als Evan und Julian ein wenig zurückfielen, griff Jim nach ihrer Hand.
»Bist du immer noch sauer auf mich?«, fragte er.
»Was sollte das da drin?«
»Komm schon, Rosie. Das ist unsere Kultur. Erst besaufen wir uns, dann kloppen wir uns, und hinterher trinken wir miteinander. Alle meine irischen Kumpel machen das so!«
»Du bist ganz bestimmt nicht Dubbos Kumpel, das weißt du genau. Er hat dir nichts getan. Und außerdem kann ich mich sehr gut selbst verteidigen.«
»Aber er ist ein echtes Sackgesicht. Sich so einzumischen.«
»Trotzdem ist das kein Grund, sich in der Öffentlichkeit zu schlägern!«, fuhr Rosie ihn an.
»Ach so, da liegt also der Hund begraben!«
»Wo liegt der Hund begraben?«
»Es stört dich, dass wir in der Öffentlichkeit sind. Du schämst dich für mich.«
Rosie blieb schockiert stehen. »Das ist nicht wahr!«
Jim zuckte mit den Achseln, zog die Jacke über den Schultern zusammen und marschierte weiter die Straße hinauf, sodass Rosie nichts anderes übrig blieb, als ihm zu folgen.
»Hallo?«, rief Jim singend in Ronnie Seymours Flur hinein. Der aufgeregte Kommentar eines aufgezeichneten Greyhound-Rennens empfing sie, und an den Wänden leuchtete flackernd das kühle blaue Licht des Fernsehers.
In dem Sessel in der Zimmerecke saß dösend Mr Seymour. Seine Katze hockte auf einem alten Piano und beäugte sie argwöhnisch. Julian, Evan und Rosie standen abwartend vor dem alten Mann.
»Ronnie?«, fragte Jim.
Mr Seymours Augen gingen auf. Er setzte sich in seinem Sessel auf und sah sie grimmig an. Die buschigen grauen Brauen waren tief über die schlierigen, geröteten Augen gezogen. Dann änderte sich schlagartig seine Haltung.
»Ach, du bist es, Jim«, sagte er und sprang aus dem Sessel. Sein Gesicht wirkte ganz und gar nicht mehr abgeschlafft. »Hast dir wohl im Pub einen zu viel gegönnt und bist jetzt zu blau, um nach Highgrove zurückzufahren, wie?«
Jim stellte ihm Julian, Rosie und Evan vor.
»Nett, euch kennen zu lernen. Aber dem hübschen Mädel bin ich schon begegnet. Vor einer ganzen Weile.«
Rosie sah den Alten zweifelnd an, denn sie war immer noch verblüfft, ihn stehend zu sehen, und
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