Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
fahren, wenn das Lager aufgeschlagen war.
»Gefällt es dir, dass wir zusammen die Nachhut bilden?«, fragte Rod. Emily nickte. Sie ließ sich lieber von den Kühen und der Unterhaltung mit ihrem Vater ablenken, als allein an der Spitze zu reiten, wo sie mit Sicherheit nur über ihre Beziehung zu Luke brüten würde. Außerdem wollte sie nicht darüber nachdenken, wie ihr Leben von nun an aussehen würde, nachdem Clancy zwei weitere Kinder bekommen und man ihnen die Weidegründe weggenommen hatte. So viele schwere Felsbrocken, die sie mit sich herumschleppte. Es war ein Wunder, dass Snowgum unter dieser Last nicht einknickte.
Kühe zu treiben war ein langwieriges Geschäft, das viel Geduld erforderte. Es hörte sich romantisch an, aber in Wahrheit konnte es bei schlechtem Wetter psychisch belastend werden. Emily hatte schon Tage durchgestanden, an denen den Kühen in der Hitze die Zunge aus dem Maul hing, an denen die Kälte sie zappelig machte oder an denen sie sich gegen heulende Böen stemmen mussten, die die Herde immer wieder auseinandertrieben. Heute Morgen aber war das Wetter angenehm, und die Kühe trotteten zufrieden voran.
Sie stieg ab, prüfte die Narbe unter dem Sattelgurt und führte Snowgum dann eine Weile am Zügel, denn sie machte sich Sorgen, dass die Stute den Viehtrieb womöglich nicht durchhalten würde. Sie führten Ersatzpferde mit, aber Emily ritt am liebsten auf der alten Snowgum. Die Stute war ein gutmütiges Wesen, das gern arbeitete, die Ohren meist aufmerksam aufgestellt hatte, den Blick über den Busch schweifen ließ und gelegentlich in Emilys Taschen nach einem Apfel wühlte. Andere Pferde waren nicht so gehorsam, wenn es ans Kühetreiben ging, und zogen den ganzen Ritt über eine unwirsche Miene, hatten die Ohren angelegt oder bleckten die großen gelben Zähne, um langsame Kühe in den Rumpf zu beißen. Wieder andere Pferde tänzelten nervös hin und her oder zogen zur Seite, weil sie nicht richtig eingeritten waren. Snowgum hingegen war für den Viehtrieb wie geschaffen.
Als Stunden später die Sonne knapp über dem Horizont stand, hatten es die Flanaghans bis zur Twelve Mile geschafft, einer eingezäunten Weide, die seit Generationen von ihrer Familie genutzt wurde. Sam war vorausgeritten, um das Gatter zu öffnen, und die ersten Kühe marschierten gehorsam hindurch.
Kaum war die Sonne untergegangen, erstarrten Emilys Finger zu Eis. Evie hatte vor der Hütte Feuer gemacht, und Emily freute sich schon darauf, ihre Hände über den tanzenden Flammen zu wärmen. Heute Nacht würden Tilly und Meg mit ihr in der Hütte übernachten, und der Gedanke ließ sie glücklich lächeln.
Als sie Snowgums Gurt löste, zuckte die Stute zusammen. Leise fluchend schob Emily den Kopf unter den Bauch der Stute, um einen Blick auf die alten Wunden zu werfen, die sie sich bei dem Sturz während des Rennens zugezogen hatte. Schon beim leisesten Fingerdruck stampfte Snowgum auf, schlug mit dem Schweif und legte die Ohren an, was sie sonst nie tat. Emily sah, wie sich das noch leuchtend rote Fleisch wieder öffnete und helles Blut aus der Wunde trat.
»Flo!«, rief sie. »Komm mal her.«
Sie deutete auf die Wunde der Stute, und Flo schüttelte den Kopf.
»Mist, damit ist der Ritt gelaufen. Trotzdem war es den Versuch wert. Ich werde Evie überreden, mich noch mal hochzufahren, damit ich den Pferdeanhänger holen und ein anderes Pferd mitbringen kann. Mal sehen, ob ich sie erreiche. Sie soll was von ihrem Brei auf die Wunde schmieren.«
»Ich hätte sie nicht so anstrengen dürfen. Ich hätte ihr mehr Zeit zum Erholen lassen müssen.«
»Ach was, die liebt das doch, hab ich recht, mein Mädel?« Flo kratzte Snowgum liebevoll am Hals. »Ich sag dir was. Wenn du willst, hol ich dir deinen neuen Wallach. Gute Gelegenheit, ihm was zu arbeiten zu geben. Schließlich müssen wir alles positiv sehen, vergiss das nicht!«
Emily lächelte melancholisch. Eigentlich wollte sie den Wallach gar nicht mehr haben, weil er sie immerzu an Luke erinnerte, trotzdem wusste sie, dass dies eine gute Gelegenheit war, ihn bei der Arbeit zu trainieren. Flo nahm Emily die Zügel aus der Hand. »Ich kümmere mich um sie. Du wärmst dich erst mal auf.«
Am nächsten Morgen stand Bonus still im Dämmerlicht, während Emily den Gurt straff zog. Sie schwang sich in den Sattel, und schon bald ritt sie der Herde hinterher, den Bauch voll mit Evies warmem Frühstück und kräftigem Kaffee.
»Bei euch ist alles okay?«, fragte
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