Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
liefen voraus, glücklich, in ihrem neuen zweiten Heim angekommen zu sein.
Emily zerrte sich die Stiefel von den Füßen, trat in die kühle Steinhütte und ging durch den Flur zur Rückseite des Hauses, wo Evie eine sonnige Küche eingebaut hatte.
Evie hob gerade eine Quiche aus dem Ofen und stellte sie neben einem frischen und farbenfrohen Sortiment an Speisen ab: Salaten und selbstgemachter Pasta in einer Mayonnaise aus Eiern von freilaufenden Hühnern. Gedämpften neuen Kartoffeln, mit Minze garniert und in heller Butter von Evies Milchkuh geschwenkt. Einem garnierten Teller mit knackigem Blattsalat, Zuckererbsen, Karotten und Gurken. Alles sah ungeheuer einladend aus.
»Lecker! Was für ein Festmahl«, sagte Emily.
»Wenn du etwas Großes mit deinem Leben anfangen willst, Emily, muss dein Körper das mitmachen können. Führ ihm nur das Beste als Energie zu.«
»Was soll ich denn noch Großes anfangen? Was soll denn noch kommen, wenn die Kühe erst ins Tiefland getrieben und verkauft worden sind? Dad zerbricht sich jetzt schon den Kopf, wie wir dann überleben sollen. Vor allem ich als alleinerziehende Mutter.«
Evie lächelte sie an und teilte die Quiche.
»Du wirst deinen Weg schon finden«, sagte sie ruhig.
Emily hatte sich inzwischen an Evies Ausdrucksweise gewöhnt. Anfangs hatten sie die kryptischen Bemerkungen nervös gemacht, dann beunruhigt, aber inzwischen wusste sie, dass in dem, was Evie sagte, oft eine tiefere Wahrheit lag.
Emily hatte kaum glauben können, wie schnell ihr Körper dank der speziellen Kost, die Evie ihr auf der Farm oben in den Bergen verabreicht hatte, das überschüssige Gewicht verloren hatte. In Brigalow hatten sie neben einem Eckladen gewohnt, der sie mit Eis, Chips und Limonaden in Versuchung geführt hatte. Durch Evies Diät hatten sie und Sam ihren Körpern allmählich den Zucker, die Konservierungsstoffe und Lebensmittelzusätze entzogen, an die sie sich im Lauf der Jahre gewöhnt hatten.
Ihre Geschmacksknospen hatten sich schnell an die schlichten, aber köstlichen Mahlzeiten gewöhnt, die Evie zubereitete. Selbst die Mädchen schienen mehr Energie auszustrahlen als damals in Brigalow und waren zu dünnen, langbeinigen Wesen hochgeschossen. Emily war immer noch überrascht, wie schnell ihr braunes Haar nachgewachsen war, wie es glänzte und wie spurlos die Narben auf ihrem Körper verheilten, wie viel leichter sie inzwischen wieder atmen konnte, wie schmerzlos sich ihre Knochen bewegten, wie rasant die Energie zurückkehrte.
Sam kam gefolgt von Rod und Flo in die Küche.
»Was für ein Festmahl!«, rief Flo aus. »Das ist die beste Viehtriebsvesper, die wir je bekommen haben.« Sie griff nach einem Teller und reichte ihn Rod.
»Danke, Evie«, sagte er. »Für alles. « Seine Worte wogen schwer. Er dankte ihr nicht nur für das Essen, sondern auch für die Fürsorge und Liebe, die sie seiner Tochter und seinen Enkelinnen schenkte.
Emily sah sich in der sauberen, aufgeräumten Küche um. Von den Deckenbalken hingen Kräuter, und auf den Fensterbrettern wuchsen Tomaten. Auf der Küchentheke standen eine große Schale mit frischem Obst, ein Krug mit selbstgemachter Limonade und ein Teller voller natürlicher, honigsüßer Leckereien für die Mädchen. Von den alten Küchenstühlen bis hin zum abgenutzten Küchentisch zeugte das ganze Haus von der gleichen stillen, heiteren Energie, die auch Evie ausstrahlte.
Als Emily die nahrhaften Gerichte kostete, konnte sie Evies Liebe darin schmecken. Zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, von einer Mutter umsorgt zu werden. Was für eine Ironie, dass endlich jemand wie Evie in ihr Leben getreten war, und das ausgerechnet bei ihrem letzten Viehtrieb.
Nach dem Essen standen Rod, Sam und Flo auf, dankten Evie und umarmten sie nacheinander, wobei Rod sie am längsten in die Arme schloss. Die Mädchen konnten es kaum erwarten, wieder auf ihre Ponys zu steigen, tanzten durch den Flur und stoben lärmend durch die Fliegentür. Draußen auf dem Weg stürzte sich Jesus auf Flos Bein und verbiss sich im Stoff ihrer Jeans. Sie reagierte mit einem schnellen Tritt, der den kleinen Hund in ein paar Löwenmaulstauden segeln ließ. Jesus Christus rollte über den Rücken ab, wedelte mit dem Schwanz und sprang auf die Steinmauer, um sie mit einem breiten Hundegrinsen von Ohr zu Ohr anzukläffen, als wäre alles nur ein Spiel gewesen. Halblaut fluchend marschierte Flo an ihm vorbei.
In der Hütte begann Emily, das Geschirr einzusammeln und
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