Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
ihren Fragen durch und klappte die Akte zu.
»Danke«, sagte sie und machte sich noch ein paar Notizen. »Das wäre vorerst alles.«
»Aber …?«
»Sie erhalten den Bescheid per Post.«
»Was für einen Bescheid denn?«
Marjory seufzte. »Ich dachte, das hätte ich Ihnen erklärt. Die Behörden werden meinen Bericht prüfen und sich dann wegen des Sorgerechts für Ihre Kinder mit Ihnen in Verbindung setzen.«
»Verzeihung?«
Marjory erhob sich abrupt und schwenkte die Hand zur Tür. »Ihre Anhörung ist hiermit abgeschlossen, Ms Flanaghan.« Sie sah Emily an, als wäre sie debil. Wie konnte Emily dieser Frau erklären, dass sich ihr Gehirn vor Panik so abgeschottet hatte, dass sie aus dem Gespräch nicht schlau geworden war? Dass sie die offiziellen Floskeln, mit denen Marjory Pitts sie bombardierte, nicht verstand? Emily zitterte am ganzen Körper.
»Wenn ich noch Ihren früheren Ehemann anhören will, muss ich mich beeilen. Ich will den Fall rechtzeitig vor meinem nächsten Termin abschließen, wenn Sie mich also bitte entschuldigen würden.«
Wie im Nebel eilte Emily an Clancy und Penny im Wartebereich vorbei. Clancy wich ihrem Blick aus. Eines der Babys begann zu quäken, und er schaukelte sanft den Kinderwagen.
»Komm mit, Penny«, sagte Marjory. »Ich helfe dir mit den Babysachen.«
Auf dem Parkplatz öffnete Rod Emily die Tür. Sie sah in seine blauen Augen auf und spürte, wie ihr die Tränen einschossen.
»Ich kann nicht glauben, dass sie mir das antun.«
Rod breitete die Arme aus und drückte Emily an seine Brust. Sie spürte den Schweiß unter seinem Hemdrücken.
»Vielleicht kommt es ganz anders.«
»Was?«
»Vielleicht werden deine schlimmsten Befürchtungen nicht wahr.«
»Aber …«
»Denk nicht darüber nach, Em. Und jetzt steig ein. Ich spendiere dir was zu trinken.«
Im Café bestellte Rod an der Theke zwei Becher Kaffee, während Emily mit gesenktem Kopf am Tisch saß und den Zucker in einem Zuckerpäckchen hin und her rieseln ließ. Sie fragte sich, ob diese Frau tatsächlich vorhatte, ihr die Kinder wegzunehmen. Ihr Bürokratenkauderwelsch ergab einfach keinen Sinn. Emily spürte, wie ihr wieder die Tränen kamen, zerknüllte eine Papierserviette in ihrer Faust und nahm sich fest vor, nicht zu weinen.
Draußen auf der backofenheißen Straße kam ein brandneuer Geländewagen hinter Rods Pick-up zu stehen. Emily sah die lustigen Sonnenblenden und den bunten Clown, der vom Wagendach baumelte. Penny glitt elegant vom Beifahrersitz und strich ihr kurzes Sommerkleid glatt.
Sie sagte etwas zu Clancy, der auf dem Fahrersitz wartete, und schlug dann die Autotür zu.
Emily zog den Kopf ein, als Penny die Cafétür aufzog und ein Schwall heißer Luft in den Raum schwappte. Penny blieb kurz stehen, bis sich ihre Augen an das schummrige Licht im Café gewöhnt hatten. Als sie Emily und Rod entdeckt hatte, kniff sie die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen und kam auf sie zu.
Sie ließ sich Emily gegenüber auf einen Stuhl fallen.
»Es ist so verdammt heiß da draußen«, meinte sie und schob sich eine rote Haarsträhne aus der hohen Stirn. Emily starrte sie an.
»Hör zu«, sagte die andere Frau sachlich. »Ich wollte dir nur kurz sagen, dass alles okay ist.«
»Okay?«
»Ja«, sagte Penny. »Wir haben alles mit Marjory geklärt.«
»Wie meinst du das?«
»Wir haben sie gebeten, die Akte zu schließen.«
Emily legte den Kopf schief. »Die Akte zu schließen? Ich weiß nicht recht …«
»Das Jugendamt wird dir keine Schwierigkeiten mehr machen.«
»Aber … die Mädchen? Ich dachte, du und Clancy wolltet das Sorgerecht?«
Pennys Augen wurden groß.
»O Gott, nein!«, wehrte sie ab. »Clancy dachte anfangs, dass er das möchte, aber … na ja, du kennst ihn ja. Er hat keine Ahnung, was er da möchte. Er weiß es wirklich nicht, wenn du mich verstehst.« Sie sah aus dem Fenster und seufzte. Dann sah sie Emily wieder an und meinte leise: »Er weiß, dass ich mit den Zwillingen genug zu tun habe. Und außerdem ist Clancy manchmal wie ein drittes Baby.«
»Da erzählst du mir nichts Neues«, bestätigte Emily spröde. Die beiden Frauen sahen sich an. Eine Sekunde lang verbanden sich Emilys dunkle Augen mit Pennys eisblauen. Und im selben Moment empfand Emily ein unausgesprochenes, neues Verständnis.
»Es tut mir wirklich leid«, sagte Penny.
»Das weiß ich«, murmelte Emily.
»Ich werde dafür sorgen, dass er sie öfter besucht. Ehrenwort.«
»Tu das«, sagte Emily.
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