Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
raubte. Ihre Gedanken kreisten unausgesetzt um Luke, und sie fühlte sich ungewöhnlich schlaff und träge. Sobald sie nur daran dachte, wie sie sich geliebt hatten, sank sie seufzend auf den nächsten Stuhl oder Baumstumpf. Noch nie hatte ein Mann so eine Wirkung auf sie gehabt, weder körperlich noch geistig. Sie wusste beim besten Willen nicht, wie sie mit ihren umtriebigen Töchtern oder den anstehenden Arbeiten fertigwerden sollte, während sie eigentlich nur in glückseligen Erinnerungen an Luke schwelgen wollte.
Seit ihrem gemeinsamen Wochenende hatte sie nur ein einziges Mal mit ihm gesprochen. Und zwar, als er angerufen hatte, um ihr mitzuteilen, dass man ihn zu einem einwöchigen Brandbekämpfungstraining nach Heyfield beordert hatte. Das kurze Gespräch hatte sich auf das Wesentliche beschränkt, denn er hatte es eilig gehabt, doch Emily hatte die unterschwellige Nervosität in seiner Stimme gehört. Als sie den Hörer auflegte, wusste sie, dass ihre Gefühle erwidert wurden.
Jetzt allerdings fragte sie sich, wo er wohl gerade war. Heute drohten gefährliche Brände. Sie erkannte das daran, wie die Sommergewitter über das Farmhaus wegrollten, wie die Donnerschläge krachten und die Blitze über die dunkelvioletten Berggipfel zuckten. Nur der Regen, der die Gewitter entladen und die Blitze entschärft hätte, blieb aus. Stattdessen war ein warmer, böiger Wind aufgekommen, und das Tageslicht wirkte gespenstisch trübe. Der Busch war nach den endlosen heißen Tagen ausgelaugt und trocken. An einem Tag wie heute hätte Luke das Training ausfallen lassen und sich zusammen mit der Feuerwehr auf den Ernstfall vorbereiten sollen.
Solange Trockengewitter drohten und diese drückende Hitze in der Luft lag, musste sie alle Gedanken an ihn aus ihrem Kopf streichen. Emily rief Tilly und Meg, die auf der Schaukel an dem Eukalyptusbaum neben dem Haus spielten, zu sich.
»Es werden bestimmt ein paar Brände ausbrechen«, erklärte sie ihnen möglichst gleichmütig. »Darum werde ich euch zu Evie hinunterbringen, bevor ich die Rinder zusammentreibe. Granddad Rod und Tante Flo werden euch dort abholen.«
Die Mädchen nickten ernst. Sie wussten, dass sie ihrer Mutter nicht widersprechen durften, wenn es um Waldbrände ging. Alle ihre Verwandten waren bei der freiwilligen Feuerwehr, und beide Mädchen hatten schon von frühester Kindheit an gehört, wie ernst die Erwachsenen wurden, wenn sie über Waldbrände redeten.
Auf dem Pick-up, den sie hier oben in den Bergen benutzten, war wie in jedem Sommer bereits die Löschausrüstung mit dem klobigen Wassertank montiert. In den letzten Wochen hatten die Mädchen ihrer Mutter immer wieder geholfen, rund um das Haus das Laub zusammenzurechen und alle toten Zweige und Rindenstücke wegzuräumen. Um das Gras rund um das Haupthaus möglichst kurz zu halten, hatte ihre Mutter ihnen sogar erlaubt, die Ponys an der Veranda anzubinden.
Während des Winters hatte Emily sich bemüht, das brennbare Material rund um das Farmhaus zu reduzieren, indem sie im Kamin so viel tote Äste und Borkenstücke wie nur möglich verheizt hatte. Leider machten Eukalyptusbäume viel Schmutz und warfen im Frühling und Sommer ständig Zweige und Rindenstücke ab, sodass die Arbeit kein Ende nahm.
»Eure Urgroßeltern sagten immer: ›Brände werden im Frühjahr und im Herbst bekämpft‹«, erklärte sie den Mädchen. »Im Sommer ist es zu spät dafür.«
Sie schaute über die Baumwipfel hinweg auf den Berg. Für das Land, das jetzt der Regierung unterstand, war es eindeutig zu spät. Frustriert dachte sie daran, wie oft die hiesigen Feuerwehren die Behörden in Melbourne angebettelt hatten, im Herbst kontrollierte Brände legen zu dürfen, um die Brandlast zu reduzieren. Aber entweder war dafür nicht genug Geld im Etat, oder die Wetterbedingungen hatten gegen einen kontrollierten Brand gesprochen, wenn die Genehmigung aus der Zentrale endlich vorlag. Die Menschen im Bergland schützten ihr eigenes Land so gut sie konnten, aber sie waren trotzdem beunruhigt, weil sie wussten, dass die Brandlast auf dem staatseigenen Land und auf den kommerziellen Plantagen um sie herum gefährlich hoch war.
So wie Emily die Wetterbedingungen einschätzte, würde sie sich auf ihre eigenen Brandschutzmaßnahmen verlassen und darauf hoffen müssen, dass sie ausreichten, das Farmhaus zu schützen. Wenn sie allerdings daran dachte, dass die im Frühjahr gesprossenen Pflanzen wegen des Weideverbotes in diesem Jahr
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