Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
bewegte sich präzise wie ein Uhrwerk. Sie und Sam hatten die Übung als Kinder zahllose Male durchexerziert. Alle Flanaghans waren auf Brände geeicht. Seit dem Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, als die Regierung der Familie untersagt hatte, kontrollierte Brandrodungen vorzunehmen, hatten sie nach anderen Wegen gesucht, um sich zu schützen, falls ein Buschbrand ausbrechen sollte.
Nach der Brandkatastrophe von 1939 hatten die Flanaghans in der Nähe des Farmhauses einen feuersicheren Bunker gegraben. Er stand immer noch, die Familie überprüfte ihn jährlich und wechselte regelmäßig die Vorräte aus. Emilys Großvater hatte ihn als ihre »Lebensversicherung« bezeichnet, und Emily wusste, dass dies nur einer von mehreren Bunkern war, die er auf dem Berg angelegt hatte, so überzeugt war er gewesen, dass eines Tages ein infernalischer Brand ausbrechen würde.
Nach einem kurzen Blick auf die Uhr lud sie die Kartons und ein paar handgefertigte alte Möbel auf den Pick-up und fuhr alles zum Bunker.
Sie schwenkte die Taschenlampe durch das Halbdunkel. Hier drinnen war es feucht und kühl. Rousie ließ sich auf den Lehmboden fallen, als wollte er sagen, lass uns hierbleiben. Emily stellte die Kartons ab, rief ihn mit einem Pfiff nach draußen und schloss den Bunker wieder ab. Dabei stellte sie sich vor, wie es wohl wäre, ihn eines Tages wirklich benutzen zu müssen. Sie und Sam waren früher immer nur hierhergekommen, um sich Gespenstergeschichten zu erzählen und sich gegenseitig Angst einzujagen. Sie schauderte bei der Vorstellung, hier ausharren zu müssen, während über ihr ein Brand tobte.
Im Haus montierte sie die Gasschläuche ab und schleifte die Gasflaschen vom Haus weg. Sie prüfte die kleine Pumpe am Wassertank und hängte einen Schlauch an, der über das Dach lief.
Danach stieg sie auf eine Leiter und verstopfte die Fallrohre der Dachrinnen mit Lumpen, wobei das Blech unter ihren Stiefeln quietschte. Sie vergewisserte sich, dass das Rohr, das zu der Dachsprinkleranlage führte, noch fest angenagelt war.
Vom Dach des Farmhauses aus ließ sie den Blick über die wunderschönen Bergwiesen und Weiden um die Farm herumwandern, die während des Sommers von den Pferden kurz gefressen worden waren. Die Eukalyptusbäume standen schlaff in der Hitze und wurden nur gelegentlich von einer heißen Bö durchweht. Sie liebte diesen Ort und hätte es kaum ertragen, ihn niederbrennen zu sehen. Aber die Flanaghans hatten schon öfter vernichtenden Bränden getrotzt, und Emily wusste, dass sich das nicht vermeiden ließ, wenn man sein Haus an einem Ort wie diesem errichtete.
Plötzlich legte sich der Wind. Sie blieb kurz auf dem Dach stehen und starrte die Sonne an, die als unheilverheißender glühender Ball am Himmel stand. Im selben Moment war sie überzeugt, eine leise Frauenstimme zu hören. War das die alte Emily? Sie schüttelte den Kopf. Sie hatte sich geirrt, ermahnte sie sich, das war bestimmt nur der Wind. Sie musste sich beeilen. Hastig kletterte sie die Leiter wieder hinunter.
Im Schuppen zerrte sie mehrere große, alte und verstaubte Schilder hervor, die mit Flos geschwungener Schrift beschrieben waren. Auf dem Schild stand Hi Feuerwehrmann, wenn du es bis hierher geschafft hast, schalte bitte diese Pumpe ein. Dann stellte sie die restlichen weißen Schilder entlang der Zufahrt auf. Auf ihnen waren dicke schwarze Pfeile zu sehen, die auf den Wassertank und die Pumpe deuteten. Das war der »Plan B« der Familie, und alle hofften, dass er funktionierte, falls es irgendwann tatsächlich brennen sollte.
Emily kehrte ins Haus zurück, kippte ein großes Glas Wasser hinunter, schlüpfte in ein langärmliges Wollhemd und lief los, um den Pferdeanhänger an den Pick-up zu koppeln.
Sie hielt inne und steckte den Kopf in die Kabine, um sich im Radio anzuhören, wo die Wachen auf den Feuertürmen überall Rauchsäulen meldeten. So wie es aussah, trieb der Wind das Feuer von ihnen weg. Erleichtert nahm sie die Arbeit wieder auf.
Sie lief zur Pferdeweide und rief Snowgum zu sich. Bonus folgte ihr auf die Koppel, wo sie ihm den Packsattel auflud und schwere Wasserschläuche daran befestigte. Als sie alles vorbereitet hatte, pfiff sie Rousie zu sich her und schwang sich auf Snowgum. Beim Haus wieherten ihnen die Ponys vom Ende ihrer Leinen aus zu und trotteten in einem Halbkreis nebenher, als sie vorbeiritten.
Schon als Emily in Richtung der offenen Wiesen ritt, konnte sie den Rauch riechen. Obwohl es erst
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