Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
sagte Clancy und trat unschlüssig näher.
Emily warf ihm einen kurzen Blick zu.
»Wurde auch Zeit, dass du sie herbringst. Wieso hast du so lang gebraucht?«
»Versuch du mal, allein einen Haushalt zu schmeißen!«, protestierte er.
Emily wollte nicht gleich wieder zu streiten anfangen und konzentrierte sich daher lieber auf die Mädchen. Sie konnte nicht aufhören, ihnen übers Haar zu streichen, ihren Duft in sich aufzunehmen und sie so fest zu drücken, wie es ihre Schmerzen nur zuließen. Sie merkte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen, als ihr klar wurde, was für ein Geschenk es war, sie wieder halten zu dürfen. Um ein Haar hätte sie für alle Zeit auf dieses Glück verzichten müssen. Die Vorstellung, dass die beiden ohne sie durchs Leben reisen müssten, war unerträglich. Sie war selbst ohne Mutter aufgewachsen und war dankbar, dass Flo ihr Bestes getan hatte, aber trotzdem hatte sie ihr Leben lang eine unstillbare Leere gespürt.
»Daddy hat gesagt, wir dürfen uns selbst anziehen«, erklärte Meg.
»Ja. Das kann ich sehen.«
Emily erkundigte sich ausgiebig nach Rousie und danach, was die Mädchen so getrieben hatten, und diese konterten mit Fragen nach den Nadeln in ihrem Handrücken und dem Zweck der verschiedenen Apparate.
Clancy blieb in gebührendem Abstand stehen; er trug das karierte Hemd, das sie vor dem Rennen für ihn gebügelt hatte. Es war inzwischen gewaschen worden, aber völlig zerknittert, beide Brusttaschen verzogen sich wie in einer Grimasse, und eine Lasche stand nach oben wie das Ohr eines jungen Welpen. Er sah so gut aus wie immer, auch dank seines neuen Haarschnitts, aber seine Schönheit, seine Anwesenheit im Zimmer berührte Emily nicht mehr. Kein bisschen.
»Mummy, wir haben da draußen einen Schrank mit Essen geseht!«, verkündete Meg und zupfte an ihrer bunten Ringelstrumpfhose.
»Ihr habt einen Schrank gesehen ? Im Ernst? Ach, ihr meint den Automaten mit den Snacks.«
»Ja!«, sagte Meg.
»Hast du ein bisschen Kleingeld?«, fragte Emily Clancy. Er sah sie grantig an.
»Wofür?«
Ihr fiel auf, wie sehr ihr seine Unfähigkeit, auch nur die einfachsten logischen Schlüsse zu ziehen, schon immer aufgestoßen war. Sie nickte zu den Mädchen hin.
»Für den Automaten.«
»Warum? Sie haben auf der Fahrt ständig Zeug in sich reingestopft.«
»Könntest du ihnen nicht helfen, sich was zu holen, damit sie sich im Gang hinsetzen und etwas essen können?« Emily hörte, dass sie den gleichen Tonfall wie immer annahm, wenn sie mit ihrem Mann sprach. Ungeduldig, verärgert, frustriert. Sie konnte sich selbst nicht leiden, wenn sie so war.
»Wir müssen reden. Und zwar allein.« Sie gab sich Mühe, sanfter zu klingen. Sie wusste, dass dies die Worte waren, die er am meisten fürchtete.
» Reden?«
» Ja, reden, Clancy. Über uns.« Sie warf ihm einen so flehenden Blick zu, dass er sich nicht länger weigerte, sondern mit seinen breiten Händen in den Hosentaschen wühlte.
»Los, ihr Winzlinge, ab zur Essensmaschine.«
Meg und Tilly umtanzten kichernd ihren Vater.
Im Gang versuchte er, den Gedanken auszublenden, dass er wieder einmal nicht den nötigen Mumm aufbrachte. Am Tag nach Emilys Unfall hatte er sich geschworen, dass er sich ändern würde. Bei seinem letzten Besuch hier im Krankenhaus hatte er vor ihrem reglosen Körper gekniet und ihr zugeflüstert, dass er sich bessern wollte. Dass er ein guter Mann und Vater werden würde. Dass er Tag und Nacht an ihrem Bett ausharren würde, dass er sich ein Zimmer in Melbourne nehmen, einen Babysitter finden und die Mädchen jeden Nachmittag zu ihr bringen würde. Er würde ihr sogar treu bleiben. Und Penny aufgeben. Aber sobald er sich nach seinen Treueschwüren erhoben hatte, war sein Entschluss ins Wanken geraten. Er hatte Krankenhäuser schon immer gehasst.
Stattdessen war er abgehauen. Er hatte die Mädchen trotz ihrer Zornattacken in den Zug gepackt und es Rod und Flo überlassen, an Emilys Bett Wache zu halten. Dem Alten hatte er erklärt, dass Kinder nichts in einem Krankenhaus verloren hätten. Rod hatte ihm mit zusammengebissenen Zähnen zugestimmt, trotzdem war Clancy klar, dass ihn der alte Zausel für rückgratlos hielt. Rod wusste, dass er aus Angst flüchtete. Er flüchtete, weil er völlig vergessen hatte, warum er Emily geheiratet hatte.
In einem Anfall von Depression hatte sich Clancy zu Hause vergraben. Rod und Flo hatten täglich angerufen, und jedes Mal hatte er sie angebellt wie ein
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