Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
ja«, sagte Flo und sah ihn aus schmalen Augen an, »was man so hört, Johnny Cash, musst du schließlich wissen, was sich gut womit macht.« Kurz herrschte betretene Stille, während Sam begriff, dass seine ganze Familie von seinem Abrutschen in den Alkhohol und die Drogen wusste. Offenbar hatte sein Vater am Morgen schon mit Ike telefoniert.
»Komm schon, Flo. Ich bin längst wieder brav. Ehrlich«, protestierte Sam.
Alle sahen ihn an. »Lügner«, erklärten sie im Chor.
»Aber du wirst diese Phase jetzt beenden?«, fragte Rod. Sam zuckte nervös lächelnd mit den Achseln. Er brauchte noch etwas Zeit, um wieder wirklich locker zu werden.
Sein Vater hob seine Teetasse an die Lippen, nahm einen Schluck und verzog das Gesicht.
»Schmeckt wirklich wie Medizin! Wobei mir einfällt, Emily, dass dir das Krankenhaus die Entlassungspapiere nachschicken wird, die du unterschrieben zurückschicken kannst, unter der Bedingung, dass du während der nächsten zwei Wochen täglich im Buschkrankenhaus von Dargo vorbeischaust und dich untersuchen lässt.«
Emily merkte, wie sich bei dem Gedanken an Clancys kleine Krankenschwester ihre Nackenhaare aufstellten. Sie musste an den Schattenriss denken, den sie gestern Nacht im Schlafzimmer ihres Hauses gesehen hatte. Sie war sicher, dass es Penny gewesen war. Sie war zwar froh, dass sie endlich frei war, aber Clancys Betrug tat immer noch weh.
»Ich gehe auf keinen Fall in Dargo ins Krankenhaus«, sagte sie.
»Du musst aber«, widersprach Rod.
Emily schüttelte den Kopf. »Ich muss nicht! Und ich werde nicht!« Die Mädchen sahen von ihrem Spiel auf, als sie den zornigen Tonfall ihrer Mutter hörten. »Mir geht es gut hier oben.«
»Aber sie müssen deine Verbände wechseln.«
»Dann fahre ich eben nach Sale ins Krankenhaus. Nach Dargo gehe ich auf keinen Fall.«
Die um den Tisch versammelte Familie sah Emily schweigend und voller Mitgefühl an. Plötzlich wurde ihr klar, dass alle Bescheid wussten. Sie wussten von dem Verhältnis von Penny und Clancy! Das hatte sich wirklich schnell herumgesprochen. Emily fühlte sich zutiefst gedemütigt.
»Ich weiß nicht, was wir sonst tun sollen«, sagte ihre Tante. »Ich bin keine Krankenschwester. Snowgum würde dir das bestätigen, wenn sie reden könnte. Und dein Bruder kann den Job unmöglich übernehmen – der braucht selbst Pflege.« Sam verzog das Gesicht und senkte den Kopf, doch Flo war noch nicht fertig. »Rod hat alle Hände voll mit dem Vieh zu tun, und wer soll sich um die Mädchen kümmern, bis du wieder auf dem Damm bist? Damit bliebe nur noch die Möglichkeit, Bob hochzuschicken.«
»Nein! Auf gar keinen Fall Bob!«, wehrte sich Emily kläglich.
»Komm schon, Em.« Flo legte ihr die Hand auf die Schulter. »Das mit Bob war ein Witz.«
Während alle darüber nachsannen, wie sich das Leben wohl entwickeln würde, lag der Raum in verlegenem Schweigen, bis Rousie seinen lauten »Jemand kommt«-Ruf bellte.
Von der Veranda aus sahen sie einen kleinen blauen Suzuki mit Vierradantrieb über den Weg rumpeln, der von einer kleinen, weißhaarigen Frau gesteuert wurde.
»Das ist doch nicht Evie Jenner, die unten an der Straße wohnt, oder?«, fragte Flo. »Was will die denn hier?«
»Evie wer?«, fragte Sam.
»Du weißt schon. Die Frau, die vor ein paar Jahren nach Gows gezogen ist.«
»Ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Ist sie nicht völlig irre?«
»Bekloppt wie ein alter Bettvorleger, sagt man«, erklärte ihm Flo.
»Der fehlen ein paar Zaunpfähle an der Oberweide, wie?«, fragte Emily.
»Oder ein paar Flaschen im Sixpack«, ergänzte Tilly todernst, und alle sahen sie überrascht an.
»Wo hast du das denn her, Tilly?«
»Von Daddy«, antwortete sie stolz.
Trotzdem hatte Evie Jenner, ungeachtet ihrer geistigen Kapazitäten, das ehemalige Hotel Gows vor dem Verfall gerettet und wieder heimelig gemacht. Stein für Stein hatte sie das Haus, das zwanzig Kilometer von dem Farmhaus der Flanaghans entfernt stand, wieder aufgebaut. Inzwischen blühte der Garten, und das frisch eingehängte schmiedeeiserne Tor lud Besucher ein, einen Abstecher zu machen. Einmal vor Jahren hatte Emily, als sie ihre Herde daran vorbeigetrieben hatte, Evie im Garten arbeiten sehen, wo sie ein Gerüst aus Teebaumstöcken geflochten hatte, an dem sich Zuckererbsen emporranken konnten. Evie hatte aufgesehen und sie angelächelt. Sie hatte einen breiten Strohhut, ein langes lila Kleid und eine rot gestreifte Gartenschürze getragen.
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