Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
Zaungrenze, die eine ganz andere Geschichte über die Cattlemen erzählte. Onkel Bobs Land, wo die Wiesen hoffnungslos überweidet waren, wo das Vieh ungehindert durch die Bäche wandern konnte. Einmal im Jahr spritzte er vielleicht Gift gegen das Unkraut, aber schon im nächsten Jahr fehlte ihm das Geld dafür, weil er alles in Alkohol angelegt hatte. Er war unhöflich zu den Parkwächtern, obszön gegenüber den Reportern, und er machte ständig Ärger. Dass es auch solche Cattlemen in ihren Reihen gab, ließ Emily manchmal vor der ganzen öffentlichen Debatte zurückschrecken. Aber dann dachte sie wieder an ihre Familiengeschichte und daran, dass die Bürokraten ihre Geschichte auslöschen würden, wenn sie die ganzen australischen Alpen mit einem ausnahmslosen Weideverbot belegen wollten. Flo hingegen konnte nicht an sich halten.
»Wie können Sie das nicht für Unfug halten?«, platzte es aus ihr heraus. »Die Entscheidung wurde über einer Landkarte, nicht auf dem Land selbst gefällt. Was für eine Form von Bewirtschaftung soll das sein? Danach sollen wir die Waldgebiete, aber nicht den Park als Weideland nutzen dürfen. Wie bitte schön soll man ein so steiles Gebiet einzäunen, das nur mit ein paar Strichen auf einer Landkarte markiert wurde? Das ist doch bürokratischer Mist!«
Flo geriet immer mehr in Fahrt, und obwohl Emily der Text nur zu bekannt war, begann auch sie die vertraute Nervosität zu spüren. »Wir haben es satt, dass man uns ständig als Umwelt-Sündenböcke missbraucht!«
»Genau«, ergänzte ihre Tante. »Dieses ganze Geschwafel soll die Menschen doch nur von den wirklich wichtigen Themen ablenken – von unserer Abhängigkeit vom Erdöl, der Wasserknappheit, der globalen Erwärmung und den Folgen der Konsumgesellschaft. Denen geht es gar nicht um das Land, sondern nur um die Wählerstimmen. Nur darum tritt man uns ständig in den Arsch!«
»Ladys!« Rod hatte beide Hände erhoben. »Das können wir auch später diskutieren. Evie ist aus einem anderen Grund gekommen. Im Moment sollten wir lieber besprechen, welche Pflege sie Emily anbieten kann.«
»Sie haben ganz recht, Mr Flanaghan«, sagte Evie. »Ich bin gekommen, weil ich Emily gesundpflegen möchte. Ich sehe auf den ersten Blick, dass sie dringend Hilfe braucht, und zwar nicht nur bei der Pflege, sondern auch im Haushalt. So wie es aussieht, ist sie hier nicht die Einzige«, ergänzte sie, den liebevollen Blick auf Sam gerichtet, der abweisend die Arme vor der Brust verschränkte.
»Wer hat Sie eigentlich geschickt?«, knurrte er halblaut.
Ohne ihn zu beachten, kramte Evie in ihrer Tasche.
»Das hier sind meine Zeugnisse, und das sind meine Tarife … allerdings gehe ich davon aus, dass Sie sich einen Teil der Kosten von der staatlichen Krankenversicherung erstatten lassen können.« Sie schob Rod und Emily ein Blatt Papier zu.
»Ich könnte auch das Kochen übernehmen, schließlich wohne ich in der Nähe. Die Mahlzeiten berechne ich nicht. Das fällt unter Nachbarschaftshilfe.«
Rod prüfte die Dokumente und sah dann Emily an. Seine Tochter sah so mitleiderregend, so klein und kaputt aus. Einen Moment überlegte er, ob er Emilys Pflege wirklich dieser Frau anvertrauen konnte … aber etwas an ihr wirkte so vertraut, so beruhigend, dass er sich plötzlich sagen hörte: »Hört sich an, als könnten wir es mal ausprobieren, oder, Em?« Als sie nicht reagierte, klatschte er in die Hände wie bei einer Auktion. »Also abgemacht! Sie sind eingestellt.«
Bevor Sam und Emily seine Entscheidung infrage stellen konnten, begannen draußen die Hunde unter lautem Geknurre und Zähnefletschen zu raufen.
» Jesus Christus!«, rief Evie aus.
»Das wollte ich auch gerade sagen«, murmelte Sam Emily zu.
16
Zwei Tage später kuschelte sich Emily zufrieden in den gemütlichen Sessel auf der Veranda, Jesus Christus auf dem Schoß und Rousie zu ihren Füßen. Sie saß in der milden Sonne, schaute zu, wie Sam mit den Mädchen die Ponys striegelte, und freute sich wieder einmal, dass Flo Jemma und Blossom auf die Hochebene mitgebracht hatte. Emilys Schürf- und Platzwunden sahen im hellen Tageslicht immer noch hässlich und entzündet aus, aber sie spürte, dass ihr die frische Luft auf der Haut guttat. In der Nähe döste Snowgum mit herabhängender Unterlippe auf der Weide vor sich hin. Genau wie Emily bewegte sie sich immer noch steif, wirkte aber ganz zufrieden auf ihrer Sommerwiese.
In der Küche summte Evie vor sich hin, ihre
Weitere Kostenlose Bücher