Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
wie es seiner Freundin Ratgirl ging oder was ihn nach Dargo geführt hatte.
Doch nachdem Sam und Bridie die Bar zu ihrer Bühne gemacht hatten, dauerte es nicht lang, bis das ganze Pub tobte, genau wie Donna, die brünette Barkeeperin mit der Riesenfrisur und Riesenfigur. Emily, die keinen Alkohol gewöhnt war, fühlte sich nach den ersten drei Bieren völlig aufgelöst. Bald wirbelte sie zu » Thank God I’m a Country Boy« auf der winzigen Tanzfläche neben dem Pooltisch herum, den Kopf in den Nacken gelegt, sodass sie die zahllosen an die hohen Wände getackerten Styroporhalter für die verschiedensten Bierflaschen aus dem ganzen Land betrachten konnte. Lachend ließ sie sich von Luke herumwirbeln, auch wenn ihre Rippen grausam piekten und sie kaum Luft bekam. Aber, dachte sie, wenigstens bin ich lebendig ! Und blau ! Was würde Evie wohl nach der langen Entgiftungskur dazu sagen?
Sie griff im Tanzen nach Lukes Händen und brüllte gegen die Musik an: »Und was treibt dich aus der Großstadt hierher?«
»Arbeit«, brüllte er zurück.
»Was für Arbeit?«
»Ich werde der neue VPP -Ranger.«
Gerade als er das sagte, sang John Denver, dass das Leben ein lustiges Rätsel sei, und die Musik verstummte abrupt. Lukes Worte » VPP -Ranger« hallten so laut durch das Pub, dass sogar die alten Schnarchsäcke an der Bar aufsahen. Emily ließ seine Hände los, ihr Unterkiefer klappte nach unten, und ihr Gesicht lief in der plötzlichen Totenstille rot an.
»Ranger? Warum?« Es war eine alberne Frage, aber sie war wie vor den Kopf geschlagen. Konnte er nicht irgendetwas anderes sein als ausgerechnet ein Ranger ? Staubsaugervertreter, Dixiekloaufsteller, schwuler Pornostar, alles schön und gut. Aber doch kein VPP - Ranger !
Emily wusste, dass die Akademiker, die aus Melbourne hergeschickt wurden, es hier nie lange aushielten, und die Einheimischen als ungebildete Hinterwäldler verachteten. War Luke auch so ein studierter, unerfahrener arroganter junger Karrieretyp? Wollte er hier mit Darcy, dem alteingesessenen Ranger, arbeiten, während er insgeheim auf eine Versetzung in einen Nationalpark näher bei seiner Freundin in Melbourne hoffte?
Jeder im Ort respektierte Darcy, der in Dargo geboren und aufgewachsen war. Aber er gehörte einer aussterbenden Art von Rangern an, die tatsächlich aus der Region kamen, in der sie arbeiteten. Seit fünfunddreißig Jahren hatte Darcy jede angebotene Versetzung und Beförderung abgelehnt, nur damit er in seinen geliebten Bergen bleiben konnte. Die jungen Ranger, die ihm gelegentlich während ihrer Ausbildung zugeteilt wurden, hatten, genau wie die Vorgesetzten, die kurz ihre Futtertröge verließen, um mal vorbeizuschauen und ihn zur Schnecke zu machen, bei den Einheimischen in Dargo wenig Eindruck hinterlassen. Infolgedessen misstrauten die Hiesigen allen Neuankömmlingen, vor allem wenn sie von der Universität kamen. Darcy hatte einmal erklärt, die idealistischen jungen Leute aus der Stadt würden glauben, sie hätten das Wissen über das Land in ihren Köpfen gespeichert, doch sie kannten das Land weder mit dem Herzen noch mit den Händen.
»Warum ich als Ranger arbeiten will?«, wiederholte Luke. »Weil es ein Job ist. Und weil ich die Berge liebe.«
»Pff!«, schnaubte Emily. »Was weißt du denn schon darüber?«
»Noch nicht viel, aber ich bin bereit zu lernen.«
»Das behaupten sie alle! Aber man kann diese Berge nicht in ein paar Monaten kennenlernen. Dazu braucht man ein ganzes Leben! Nein, mehr als ein Leben. Man braucht Generationen dazu.« Aus den Lautsprechern ertönte jetzt der vertraute Rhythmus von Sams Nummer-eins-Hit. Sie wollte nicht länger mit dem neuen Ranger reden. Sie war angetrunken und ärgerte sich.
Plötzlich fügten sich das T-Shirt mit dem Aufdruck » Save the Tarkine Wilderness «, das Mädchen im Tierkostüm, der kaputte Datsun mit den Ökostickern darauf zu einem Bild zusammen. Dieser Luke war hier aufgekreuzt, um dazu beizutragen, dass die Cattlemen aus den Bergen vertrieben wurden. Das Gesetz war noch nicht einmal verabschiedet, aber Emily hatte den Verdacht, dass man in den Regierungsbehörden schon mit Hochdruck an der Durchsetzung arbeitete. Der alte Darcy würde die Verbote nicht allein durchsetzen können, darum hatten sie einen jungen Söldner engagiert, der die Schmutzarbeit erledigen sollte und der die Cattlemen aus dem Gebirge verjagen würde.
Angespannt entschuldigte sie sich, ging an die Bar, um einen Schluck Wasser zu
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