Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
kein Jungtier. Aber etwas in den Augen des jungen Braunen hatte ihn in Bann gezogen. Außerdem konnte er ihn jederzeit weiterverkaufen. Damit besaß er jetzt zwei braune Stuten mit hübschen weißen Fesseln und Blessen und einen passenden Dreijährigen dazu.
Heute musste er die Zäune und die Wasserleitungen richten, bevor er die Pferde auf ihre Koppel ließ, er malte sich jetzt schon voller Vorfreude aus, wie sie ihr neues Zuhause erforschen würden.
In der ersten Nacht in seinem neuen Heim hatte er kaum ein Auge zugetan, sondern auf dem Rücken in seinem Schlafsack gelegen und auf die durchhängende Decke über dem windschiefen Türrahmen gestarrt. Früher oder später musste er hier einiges reparieren, überstreichen oder herausreißen. Es bedeutete viel Arbeit, aber zum ersten Mal seit Jahren war Luke richtig aufgeregt, so als hätte sein Leben endlich Fahrt aufgenommen und ein Ziel gefunden. Während der letzten Tage hatte er Darcy, den scheidenden Ranger, auf seiner Tour begleitet. Seither schätzte er den rundlichen, wortkargen Mann als erfahrenen Buschmann, dessen Träume sich aber im Lauf der Jahre an der bürokratischen Hierarchie aufgerieben hatten und der jetzt eher die gemächliche, bequeme Seite seines Jobs auslebte. Er hatte Luke das ganze Gebiet gezeigt und ihm die alltäglichen Aufgaben erklärt, etwa welche Mülltonnen er im Park zu leeren hatte, wo Hütten standen und welche Schranken bei Schneefall geschlossen werden mussten.
Luke seufzte. Nächste Woche würde er offiziell zu arbeiten anfangen, daran wollte er genauso wenig denken wie an jene erste ereignisreiche Nacht im Dargo Hotel. Er hatte drei wunderschöne neue Pferde, mit denen er sich vertraut machen musste, und dazu einen eigenen Reitplatz, den ihm der Vorbesitzer hinterlassen hatte. Beschwingt machte er sich auf den Weg zu den Ställen.
23
Am selben Samstagmorgen stand Emily an der Bar im Dargo Hotel, während Donna zunehmend unruhig darauf wartete, dass sie sich entschied.
»Eine Flasche Rum? Nein. Ein Sixpack Bier? Nein! Eine Flasche Wodka? Nein! Ach, Mist, ich weiß einfach nicht, was ihm schmeckt«, seufzte Emily.
Seit dem Protestritt durch Melbourne war eine ganze Woche vergangen, aber die Schuldgefühle, weil Clancy Luke niedergeschlagen hatte, waren ihr von Dargo nach Melbourne und zurück auf die Hochebene gefolgt. Dazu kam, dass Evie sich geweigert hatte, ihr den Gips abzunehmen, weil das ein Job für den Arzt im Buschkrankenhaus von Dargo sei. Emilys Protesten zum Trotz hatte Evie angerufen und in ihrem Namen einen Termin während der monatlichen Sprechstunde am Samstagvormittag vereinbart.
Als Emily durch die hiesigen Buschtrommeln erfahren hatte, dass Luke ein Haus mit etwas Land gekauft hatte, war sie aus allen Wolken gefallen. Bis jetzt hatte noch kein junger Ranger, der dem alten Darcy zugeteilt worden war, Interesse gezeigt, länger als nötig zu bleiben. Alle hatten hier nur ihre Zeit abgesessen, um ein paar Arschkriecherpunkte zu sammeln, damit sie möglichst schnell einen Job näher bei Melbourne bekamen. Alle seine Vorgänger hatten Dargo als Ort betrachtet, aus dem es zu fliehen galt, sobald das Wochenende nahte, darum wurde im ganzen Ort über Lukes Grundstückskauf geredet. Wenigstens lieferte ihr das einen guten Vorwand, ihn zu besuchen und ein Willkommensgeschenk und eine Entschuldigung zu überbringen, dachte Emily.
Früh am Morgen war sie aus den Bergen heruntergekommen, hatte die Mädchen bei Evie abgeliefert und war dann nach Dargo weitergefahren, den Pferdehänger an der Kupplung, den Flo für einen Reitwettbewerb am Wochenende brauchte. Emily freute sich auf einen Tag ganz allein, auch wenn ihr bei dem Gedanken, ins Krankenhaus zu müssen und dort möglicherweise auf Penny zu treffen, flau im Magen wurde. Aber irgendwann mussten sich ihre Wege ohnehin kreuzen, und dieser Tag war so gut wie jeder andere, um die Sache hinter sich zu bringen, ermahnte sich Emily. Trotzdem begannen bei der Vorstellung, Penny gegenüberzustehen, ihre Hände zu schwitzen, und ihr Herz schlug sofort schneller.
Während sie so an der Bar stand, wurde ihr klar, dass sie sich nur davor zu drücken versuchte, ins Krankenhaus zu fahren.
»Ich nehme ein Sixpack Bier«, verkündete sie schließlich entschlossen.
»Flaschen oder Dosen?«, fragte Donna.
»Äh …« Donna verdrehte die Augen. »Dosen? Nein! Flaschen? Nein! Ach Mist. Flaschen!«
» Flaschen«, wiederholte Donna. »Leicht oder stark? Lager oder Bitter? VB oder
Weitere Kostenlose Bücher