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Auswahl seiner Schriften

Auswahl seiner Schriften

Titel: Auswahl seiner Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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zog mich trotz seiner abstoßenden Natur bei Weitem mehr an: er unterscheidet sich himmelweit von seinen Pariser Kollegen, denn er macht seine Musik nicht für's Geld. Für die reine Kunst kann er aber auch nicht schreiben, ihm entgeht aller Schönheitssinn. Er steht in seiner Richtung völlig isolirt: an seiner Seite hat er nichts wie eine Schar Anbeter, die, flach und ohne das geringste Urtheil, in ihm den Schöpfer eines nagelneuen Musik-Systems begrüßen und ihm den Kopf vollends verdreht machen; – alles Übrige weicht ihm aus wie einem Wahnsinnigen. – Den letzten Stoß gaben meinen früheren leichtfertigen Ansichten über die Mittel der Musik – die Italiener. Diese gepriesensten Helden des Gesanges, Rubini an der Spitze, haben mich vollends gegen ihre Musik degoutiert. Das Publikum, vor dem sie singen, trug das Seinige zu dieser Wirkung auf mich bei.
Anmerkung des Herausgebers: 4) Man vergleiche die köstliche kleine Schrift »Der Virtuos und der Künstler« aus der Reihe der Pariser »Novellen und Aufsätze«, in der diese Wirkung mit ebenso tief belehrendem Ernst als prächtig sprudelndem Humor sich ausspricht (G. S. u. D. I,167ff.).
    Die große Pariser Oper ließ mich gänzlich unbefriedigt durch den Mangel alles Genies in ihren Leistungen: Alles fand ich gewöhnlich und mittelgut. Die mise en scène und die Dekorationen sind mir, offen gesagt, das liebste an der ganzen Académie Royale de musique . Viel eher wäre die Opéra comique mich zu befriedigen im Stande gewesen; sie besitzt die besten Talente, und ihre Vorstellungen geben ein Ganzes, Eigenthümliches, welches wir in Deutschland nicht kennen. Das, was jetzt für dieses Theater geschrieben wird, gehört aber zu dem Schlechtesten, was je in Zeiten der Entartung der Kunst produzirt worden ist; wohin ist die Grazie Mehül's, Isouard's, Boieldieu's und des jungen Auber vor den niederträchtigen Quadrillen-Rhythmen geflohen, die heut' zu Tage ausschließlich dieß Theater durchrasseln? – Das Einzige, was Paris von Beachtungswerthem für den Musiker enthält, sind die Orchester-Konzerte im Saale des Conservatoirs. Die Aufführungen der deutschen Instrumental-Kompositionen in diesen Konzerten haben auf mich einen tiefen Eindruck gemacht, und mich von Neuem in die wunderbaren Geheimnisse der ächten Kunst eingeweiht. Wer die neunte Symphonie Beethovens vollkommen kennen lernen will, der muß sie vom Orchester des Conservatoirs in Paris aufführen hören. – Diese Konzerte stehen aber völlig allein da, nichts knüpft sich an sie an.
    Ich ging fast gar nicht mit Musikern um: Gelehrte, Maler etc. bildeten meinen Umgang: ich habe viel schöne Erfahrungen von Freundschaft in Paris gemacht. – Als ich so gänzlich ohne alle nächsten Aussichten auf Paris war, ergriff ich wieder die Komposition meines »Rienzi«; ich bestimmte ihn nun für Dresden, einmal, weil ich an diesem Theater die besten Mittel vorhanden wußte, die Devrient, Tichatschek etc., zweitens, weil ich auf Bekanntschaften aus meiner frühesten Zeit mich stützend dort am ersten Eingang zu finden hoffen durfte. Mein »Liebesverbot« gab ich nun fast gänzlich auf; ich fühlte, daß ich mich als Komponisten desselben nicht mehr achten konnte. Desto unabhängiger folgte ich meinem wahren künstlerischen Glauben bei der Fortsetzung der Komposition meines Rienzi. Mannigfacher Kummer und bittere Noth bedrängten um diese Zeit mein Leben. Plötzlich erschien Meyerbeer wieder auf eine kurze Zeit in Paris. Mit der liebenswürdigsten Theilnahme erkundigte er sich nach dem Stande meiner Angelegenheiten, und wollte helfen. Nun setzte er mich auch in Verbindung mit dem Direktor der großen Oper, Leon Pillet: es war dabei auf eine zwei- oder dreiaktige Oper abgesehen, deren Komposition für dieses Theater mir anvertraut werden sollte. Ich hatte für diesen Fall mich bereits mit einem Süjet-Entwurfe vorgesehen. Der »fliegende Holländer«, dessen innige Bekanntschaft ich auf der See gemacht hatte, fesselte fortwährend meine Phantasie; dazu machte ich die Bekanntschaft von H. Heines eigenthümlicher Anwendung dieser Sage in einem Theile seines »Salons«. Besonders die von Heine einem holländischen Theaterstücke gleichen Titels entnommene Behandlung der Erlösung dieses Ahasverus des Ozeans gab mir Alles an die Hand, diese Sage zu einem Opernsüjet zu benutzen. Ich verständigte mich darüber mit Heine selbst, verfaßte den Entwurf und übergab ihn dem Herrn Leon Pillet mit dem Vorschlage, mir

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