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Auswahl seiner Schriften

Auswahl seiner Schriften

Titel: Auswahl seiner Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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Schlusse des »Kunstwerkes der Zukunft« kennen. So ging ich nochmals nach Paris: – dieß war und wird nun für immer das letzte Mal gewesen sein, daß ich aus äußeren Rücksichten mich zum Zwange meiner wirklichen Natur bestimmte. Dieser Zwang drückte so furchtbar schmerzlich und zerstörend auf mich, daß ich dießmal, rein nur durch die Wucht dieses Druckes, dem Untergange nahe gerieth: ein alle meine Nerven lähmendes Übelbefinden befiel mich von meinem Eintritt in Paris an so heftig, daß ich schon dadurch allein zum Aufgeben aller nöthigen Schritte für mein Vorhaben genöthigt ward. Bald wurde mein Übel und meine Stimmung so unerträglich, daß ich, von unwillkürlich gewaltsamem Lebensinstinkte getrieben, um meiner Rettung willen zum Äußersten zu schreiten mich anließ, zum Bruche mit Allem, was mir irgend noch freund gesinnt war, zum Fortziehen in – Gott weiß welche? – wildfremde Welt. – In diesem Äußersten, wohin ich gekommen, ward ich nun von ächtesten Freunden aber begriffen: sie leiteten mich an der Hand einer unendlich zarten Liebe von meinem Schritte zurück. Dank ihnen, die allein es wissen, wen ich meine!
    Ja, ich lernte jetzt die vollste, edelste und schönste Liebe kennen, die einzig wirkliche Liebe, die nicht Bedingungen aufstellt, sondern ihren Gegenstand ganz so umfaßt, wie er ist und seiner Natur nach nicht anders sein kann. Sie hat mich auch der Kunst erhalten! – Zurückgekehrt, trug ich mich von Neuem mit dem Gedanken, »Siegfried's Tod« musikalisch vollends auszuführen: es war bei diesem Entschlusse aber noch halbe Verzweiflung im Spiele, denn ich wußte, ich würde diese Musik jetzt nur für das Papier schreiben. Das unerträglich klare Wissen hiervon verleidete mir von Neuem mein Vorhaben; ich griff – im Gefühle davon, daß ich in meinem Streben meist doch noch so gänzlich mißverstanden würde [Fußnote: Nichts konnte mir dieß – unter Anderen – wieder mehr aufdecken, als ein Brief, den ich von einem früheren Freunde, einem namhaften Komponisten, erhielt, und worin dieser mich ermahnte, »doch von der Politik zu lassen, bei der im Ganzen doch nichts herauskäme«. Diese – ich weiß nicht genau ob absichtliche oder unabsichtliche – Befangenheit, mich durchaus für einen Politiker halten und den rein künstlerischen Gehalt meiner bereits ausgesprochenen Ansichten geflissentlich übersehen zu wollen, hatte für mich etwas Empörendes.] – wieder zur Schriftstellerei, und schrieb mein Buch über »Oper und Drama«. – Von Neuem war ich nun wieder gänzlich verstimmt und niedergeschlagen in Bezug auf ein zu erfassendes künstlerisches Vorhaben: neu erhaltene Beweise von der Unmöglichkeit, mich künstlerisch verständlich jetzt dem Publikum mittheilen zu können, brachten mir wieder eine gründliche Unlust zu neuen dramatischen Arbeiten bei; und offen glaubte ich mir gestehen zu müssen, daß es mit meinem Kunstschaffen ein Ende habe. – Da hob mich aus meinem tiefsten Mißmuthe ein Freund auf: durch den gründlichsten und hinreißendsten Beweis, daß ich nicht einsam stand und wohl tief und innig verstanden würde – selbst von Denen, die mir sonst fast am fernsten standen –, hat er mich von Neuem, und nun ganz zum Künstler gemacht. Dieser wunderbare Freund ist mir
    Franz Liszt. –
    Ich muß des Charakters dieser Freundschaft hier näher erwähnen, da sie gewiß Manchen paradox erscheint. Ich habe mich in den Ruf bringen müssen, nach vielen Seiten hin abstoßend und durchaus feindselig zu sein, so daß die Mittheilung eines liebevollen Verhältnisses mir hier in einem gewissen Sinne zum Bedürfniß wird. –
    Ich begegnete Liszt zum ersten Male in meinem Leben während meines frühesten Aufenthaltes in Paris, und zwar bereits in der zweiten Periode dieses Aufenthaltes, zu jener Zeit, wo ich – gedemüthigt und von tiefem Ekel ergriffen – jeder Hoffnung, ja jedem Willen auf einen Pariser Erfolg entsagte, und in dem Akte innerlicher Empörung gegen jene Kunstwelt begriffen war, den ich oben näher bezeichnete. In dieser Begegnung trat mir nun Liszt gegenüber, als der vollendetste Gegensatz zu meinem Wesen und meiner Lage. In dieser Welt, in der aufzutreten und zu glänzen es mich verlangt hatte, als ich aus kleinlichen Verhältnissen heraus mich nach Größe sehnte, war Liszt vom jugendlichsten Alter an unbewußt aufgewachsen, um ihr Wunder und Entzücken zu einer Zeit zu werden, wo ich bereits durch die Kälte und Lieblosigkeit, mit der sie

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