Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auswahl seiner Schriften

Auswahl seiner Schriften

Titel: Auswahl seiner Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
Vom Netzwerk:
Absichtlichkeit geändert werden, um sich der gewohnten Anschauungsweise unmerklich zu entziehen, und in dem von mir erkannten Lichte zu zeigen. Hätte ich nun selbst dieß zu überwinden vermocht, so mußte ich aber doch einsehen, daß das Einzige, was diesem Stoffe die von mir beabsichtigte Bedeutung geben konnte, eben unsere modernen Zustände waren und daß, nur gerade jetzt dem Volke vorgeführt, diese Bedeutung von Wirkung sein könnte, nicht aber dann , wenn dieselben Zustände durch die Revolution zerstört waren, wo – jenseits dieser Zustände – zugleich aber auch nur die einzige Möglichkeit zu ersehen war, das Drama dem Volke öffentlich vorführen zu können.
    Denn so weit war ich bereits über den Charakter der damaligen Bewegung mit mir einig geworden, daß wir entweder vollständig in dem Alten verbleiben, oder vollständig das Neue zum Durchbruch bringen mußten. Ein klarer, täuschungsloser Blick auf die äußere Welt belehrte mich entscheidend, daß ich den »Jesus von Nazareth« durchaus aufzugeben hatte. Dieser Blick, den ich aus meiner brütenden Einsamkeit heraus auf die politische Außenwelt warf, zeigte mir jetzt die nahe bevorstehende Katastrophe, die Jeden, dem es um eine gründliche und wesentliche Änderung der schlechten Zustände Ernst war, verschlingen mußte, wenn er seine Existenz, selbst in diesen schlechten Zuständen, über Alles liebte. Dem bereits offen und frech ausgesprochenen Trotze des ausgelebten Alten gegenüber, das um jeden Preis sich in seiner Existenz erhalten wollte, mußten meine früher gefaßten Pläne, wie der einer Theaterreform, mir jetzt kindisch vorkommen. Ich gab sie auf, wie Alles was mich mit Hoffnung erfüllt, und so über die wahre Lage der Dinge getäuscht hatte. Im Vorgefühle der unvermeidlichen Entscheidung, die auch mich, mochte ich thun, was ich wollte, treffen mußte, sobald ich eben nur meinem Wesen und meinen Gesinnungen treu blieb, floh ich jetzt jede Beschäftigung mit künstlerischen Entwürfen; jeder Federzug, den ich geführt hätte, kam mir lächerlich vor, jetzt, wo ich unmöglich noch durch eine künstlerische Hoffnung mich belügen und betäuben konnte. Des Morgens verließ ich mein Zimmer mit dem öden Schreibtische, und wanderte einsam hinaus in das Freie, um mich im erwachenden Frühlinge zu sonnen, und in seiner wachsenden Wärme alle eigensüchtigen Wünsche von mir zu werfen, die mich irgend noch mit täuschenden Bildern an eine Welt von Zuständen fesseln konnten, aus der all' mein Verlangen mit Ungestüm mich hinaustrieb. – So traf mich der Dresdener Aufstand, den ich mit Vielen für den Beginn einer allgemeinen Erhebung in Deutschland hielt: wer sollte nach dem Mitgetheilten so blind sein wollen, nicht zu ersehen, daß ich da keine Wahl mehr hatte, wo ich nur noch mit Entschiedenheit einer Welt den Rücken kehren mußte, der ich meinem Wesen nach längst nicht mehr angehörte!
    Mit Nichts kann ich das Wohlgefühl vergleichen, das mich – nach Überstehung der nächsten schmerzlichen Eindrücke – durchdrang, als ich mich frei fühlte, frei von der Welt marternder, stets unerfüllter Wünsche, frei von den Verhältnissen, in denen diese Wünsche meine einzige, verzehrende Nahrung gewesen waren! Als mich, den Geächteten und Verfolgten, keine Rücksicht mehr band zu einer Lüge irgend welcher Art, als ich jede Hoffnung, jeden Wunsch auf diese jetzt siegreiche Welt hinter mich geworfen, und mit zwanglosester Unumwundenheit laut und offen ihr zurufen konnte, daß ich, der Künstler, sie, diese so scheinheilig um Kunst und Kultur besorgte Welt, aus tiefstem Grunde des Herzens verachte; als ich ihr sagen konnte, daß in ihren ganzen Lebensadern nicht ein Tropfen wirklichen künstlerischen Blutes fließe, daß sie nicht einen Athemzug menschlicher Gesittung, nicht einen Hauch menschlicher Schönheit aus sich zu ergießen vermöge: – da fühlte ich mich zum ersten Male in meinem Leben durch und durch frei, heil und heiter, mochte ich auch nicht wissen, wohin ich den nächsten Tag mich bergen sollte, um des Himmels Luft athmen zu dürfen.
    Wie ein schwarzes Bild aus einer längst abgethanen gräßlichen Vergangenheit war nochmals jenes Paris an mir vorübergezogen, dahin ich auf den Rath eines wohlmeinenden Freundes, der hier mehr für mein äußerliches Glück als meine innere Befriedigung besorgt sein konnte, zunächst mich gewandt hatte, und das ich jetzt, beim ersten Wiedererkennen seiner ekelhaften Gestalt, wie ein

Weitere Kostenlose Bücher