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Auswahl seiner Schriften

Auswahl seiner Schriften

Titel: Auswahl seiner Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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mich berührte, so weit von ihr abgestoßen wurde, daß ich ihre Hohlheit und Nichtigkeit mit der vollen Bitterkeit eines Getäuschten zu erkennen vermochte. Somit war mir Liszt mehr als eine bloß zu beargwöhnende Erscheinung. Ich hatte keine Gelegenheit, mich meinem Wesen und meinen Leistungen nach ihm bekannt zu machen; so oberflächlich, als er mich eben nur kennen lernen konnte, war daher auch die Art seiner Begegnung mit mir, und war dieß bei ihm ganz erklärlich, – namentlich bei einem Menschen, dem sich täglich die mannigfaltigsten und wechselndsten Erscheinungen zudrängten, so war ich doch gerade damals nicht in der Stimmung, mit Ruhe und Billigkeit den einfachsten Erklärungsgrund eines Benehmens aufzusuchen, das – an sich freundlich und zuvorkommend, – nur gerade mich eben zu verletzen im Stande war. Ich besuchte Liszt, außer diesem ersten Male, nie wieder, und – ohne ebenfalls auch ihn zu kennen, ja mit völliger Abneigung dagegen ihn kennen lernen zu wollen – blieb er für mich eine von den Erscheinungen, die man als von Natur sich fremd und feindselig betrachtet. Was ich in dieser fortgesetzten Stimmung wiederholt gegen Andere aussprach, kam Liszt späterhin einmal zu Gehör, und zwar zu jener Zeit, wo ich durch meinen »Rienzi« in Dresden so plötzliches Aufsehen erregt hatte. Er war betroffen darüber, von einem Menschen, den er fast gar nicht kennen gelernt hatte, und den kennen zu lernen ihm nun nicht ohne Werth schien, so heftig mißverstanden worden zu sein, als ihm aus jenen Äußerungen es einleuchtete. – Es hat für mich jetzt, wenn ich zurückdenke, etwas ungemein Rührendes, die angelegentlichen und mit einer wirklichen Ausdauer fortgesetzten Versuche mir vorzuführen, mit denen Liszt sich bemühte, mir eine andere Meinung über sich beizubringen. Noch lernte er zunächst nichts von meinen Werken kennen, und es sprach somit noch keine eigentliche künstlerische Sympathie für mich aus seiner Absicht, in nähere Berührung mit mir zu treten; sondern lediglich der rein menschliche Wunsch, in der Berührung mit einem Anderen keine zufällig entstandene Disharmonie fortbestehen zu lassen, dem sich vielleicht ein unendlich zarter Zweifel darüber beimischte, ob er mich nicht etwa gar wirklich verletzt habe. Wer in allen unseren sozialen Verhältnissen, und namentlich in den Beziehungen der modernen Künstler zu einander, die grenzenlos eigensüchtige Lieblosigkeit und gefühllose Unachtsamkeit der Berührungen kennt, der muß mehr als erstaunen, er muß durch und durch entzückt sein, wenn er von dem Verhalten einer Persönlichkeit Wahrnehmungen macht, wie sie mir sich von jenem außerordentlichen Menschen aufdrängten.
    Noch nicht aber war ich damals im Stande, das ungemein Reizende und Hinreißende der Kundgebung von Liszt's über Alles liebenswürdigem und liebendem Naturell zu empfinden: ich betrachtete die Annäherungen Liszt's an mich zunächst erst noch mit einer gewissen Verwunderung, der ich Zweifelsüchtiger oft sogar geneigt war eine fast triviale Nahrung zu geben. – Liszt hatte nun in Dresden einer Aufführung des Rienzi, die er beinahe erzwingen mußte, beigewohnt; und aus aller Welt Enden, wohin er im Laufe seiner Virtuosenzüge gelangt war, erhielt ich, bald durch diese bald durch jene Person, Zeugnisse von dem rastlosen Eifer Liszt's, seine Freude, die er von meiner Musik empfunden hatte, Anderen mitzutheilen, und so – wie ich fast am liebsten annähme – ohne alle Absicht, Propaganda für mich zu machen. Es geschah dieß zu einer Zeit, wo es sich mir andererseits immer unzweifelhafter herausstellte, daß ich mit meinen dramatischen Arbeiten ohne allen äußeren Erfolg bleiben würde. Ganz in dem Maaße nun, als diese gänzliche Erfolglosigkeit immer deutlicher, und endlich ganz entschieden sich kundgab, gelangte Liszt dazu, aus seinem eigensten Bemühen meiner Kunst einen nährenden Zufluchtsort zu gründen. Er gab das Herumschweifen auf, ließ sich – der im vollsten Glanze der prunkendsten Städte Europa's Heimische – in dem kleinen bescheidenen Weimar nieder und ergriff den Taktstock als Dirigent. Dort traf ich ihn das letzte Mal, als ich – noch ungewiß über den eigentlichen Charakter der mir drohenden Verfolgung – wenige Tage auf der, endlich nöthig werdenden Flucht aus Deutschland, im Thüringer Lande weilte. An dem Tage, wo es erhaltenen Anzeichen nach mir immer unzweifelhafter und endlich gewiß wurde, daß meine persönliche Lage dem

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