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Ausweichmanöver (German Edition)

Ausweichmanöver (German Edition)

Titel: Ausweichmanöver (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Hartmann
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Platz. Ihre Freundin Michelle zischte laut. „Fräulein, was glaubt der, wo wir leben? In den fünfziger Jahren?“
    Philip sagte: „Herr Heckmann, das ist ungerecht. Immer dürfen die Mädchen die einfachen Sachen machen. Lassen Sie Gordon oder mich den Wertebereich bestimmen. Dann können Julia oder Michelle die Nullstellen berechnen.“
    Heckmann zeigte mit dem Finger auf Philip. „Die Mädchen die Nullstellen, nicht schlecht, gar nicht schlecht.“ Er grinste breit, schaute einmal durch die Klasse. Erwartete er Beifall?
    Dann wandte er sich mit ernster Miene wieder an Philip. „Seien Sie nicht albern. Sie wissen längst, dass die Nullstelle bei plus Wurzel einhalb und minus Wurzel einhalb liegt, ohne großartig zu rechnen, und Ihr Busenfreund Gordon kennt auch den Schnittpunkt mit der Y-Achse, dazu braucht er nicht an die Tafel zu gehen. Deswegen bekommen Sie beide auch neun Punkte und nicht einen wie die Damen, denen Sie, ritterlich wie Sie sind, beizustehen versuchen.“
    Er wandte sich wieder an Julia. „Nun los, an die Tafel, amüsieren Sie mich.“
    Mehrere Schüler murrten leise, einige scharrten mit den Füßen. Philip flüsterte hektisch: „Die reellen Zahlen, der Wertebereich umfasst alle reellen Zahlen. Alle reellen Zahlen.“
    Timo sagte ziemlich laut: „Was für ein Arschloch.“
    „Da haben Sie recht, werter Herr Fleck. Wer vorsagt, beraubt andere ihrer Chancen und verdient es, aus dem sozialen Kontext ausgeschlossen zu werden. Wenn Sie dafür in den Straßenjargon verfallen, kann ich mich Ihnen zwar nicht mit identischer Wortwahl anschließen, Ihnen aber aus vollem Herzen beipflichten. Und nun hopp, Fräulein Sproy, wir wollen hier doch nicht hibernieren.“
    Mit einem Ruck hob Julia den Kopf. Dann stand sie auf, ganz langsam. Lars spürte, dass der gesamte Kurs zu atmen vergaß. Einen Moment lang hoffte er, dass Philip so viel mit ihr gepaukt hatte, dass er genau diese Aufgabe mit ihr gerechnet hatte, dass sie jetzt an die Tafel schreiten und die komplette Kurvendiskussion in einer fließenden Bewegung anschreiben würde.
    Doch dann bemerkte er, dass sich ihre Knöchel weiß abzeichneten, so stark klammerte sie sich an der Tischkante fest, und Lars ahnte, dass es zum Eklat kommen würde.
    Er sprang auf.
    Bevor er etwas sagen konnte, hob Julia die Hand wie ein Politiker, der die jubelnde Menge beruhigt, damit er noch einen Dank an seine Mutter loswerden kann. Sie bückte sich ein wenig, zog ihr schwarzes T-Shirt straff, dass die Fackel wie eine Kerze aussah, griff mit der anderen Hand nach ihrem Rucksack, straffte den Rücken und marschierte aus dem Raum.
    Einen kurzen Moment lang hätte man einen Floh husten hören, dann brüllte Heckmann los. „Kommen Sie sofort zurück. Was fällt Ihnen ein?“
    Er rannte zur Tür. „Sie unterliegen meiner Aufsichtspflicht.“ Im leeren Gang hallten seine Worte nach.
    Er drehte sich zum Kurs um. „Sie sind alle Zeugen. Sie hat den Raum ohne meine Zustimmung, ja, entgegen meiner Anordnung verlassen.“
    „Hat sich was mit Zeuge“, sagte Timo. Er hatte ebenfalls seine Tasche gepackt, drängte sich an Heckmann vorbei, sprach ganz ruhig, überdeutlich.
    „Sie werden mich kennenlernen. Jetzt ist Schluss. Ich mache Sie fertig. Passen Sie bloß auf. Das Auto ist erst der Anfang.“
    Damit verschwand er im Gang.
    Heckmann war bis an die Tafel zurückgewichen. „Sie haben gehört, dass er mich bedroht hat. Diesmal fliegt er endgültig. Dafür werde ich sorgen.“
    Niemand beachtete ihn.
    Die anderen waren aufgesprungen. „Lasst uns auch verschwinden“, sagte Philip. „Der tickt doch nicht ganz sauber.“
    Valentin erwiderte: „Leute, bleibt ganz ruhig. Wo soll das hinführen?“
    Michelle begann zu schluchzen.
    Gordon drückte sie an sich. „Ist ja schon gut. Ist alles halb so schlimm.“
    Währenddessen saß Heckmann am Pult und schrieb etwas mit heftigen Strichen ins Kursbuch.
    Lars fragte sich, wie es nun weitergehen sollte. Julia war der Aufgabe an der Tafel, Heckmanns Herausforderung, ausgewichen. Das verschaffte ihr keinen einzigen zusätzlichen Punkt. Und Timo rannte gleich hinterher. Ob die Stellmacher ihm das durchgehen ließ? Wenn er sagte, dass er Angst hatte, dass Julia sich was antat.
    Sich was antat?
    Selbstmord?
    Lars bemerkte, dass er zitterte. War das möglich?
    Obwohl der Heckmann jetzt brüllte, dass sich alle wieder auf die Plätze begeben sollten, ging er zu Philip und fragte: „Glaubst du, Julia könnte

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