Ausweichmanöver (German Edition)
ja, ich weiß, er hat seit Tagen von nichts anderem gesprochen.“
„Am Montagabend hat jemand diesen Neuwagen gestohlen, und Herr Heckmann“, ich beobachtete sie genau, während ich das sagte, doch sie kam mir zuvor.
„Glaubt, dass einer oder mehrere unserer Schüler dafür verantwortlich sind.“
„Er hat Sie bereits informiert?“
„Mich?“
Sie schüttelte den Kopf. „Ganz bestimmt nicht. So einer wie Herr Oberstudienrat Heckmann kann es nur schlecht ertragen, eine Frau als Chefin zu haben. Aber ein Harald Heckmann gibt immer den Schülern die Schuld, oder den Eltern, je nachdem.“
„Sie halten es für ausgeschlossen?“
Sie hob die Hand. „Nein, nein, das wollte ich damit nicht sagen. Wir haben solche und solche; Herr Heckmann weckt nicht unbedingt die besten Seiten in unseren Schülern. Ist der Wagen inzwischen wieder aufgetaucht?“
„Er stand auf einem Parkplatz an der B64, dicht neben einem Lovemobil, und er war überall mit Kuhmist beschmiert.“
„Innen und außen?“ Ich sah das Kichern in einer großen Welle in ihr aufsteigen. Sie versuchte, es zu unterdrücken, blubberte es in ihre Kaffeetasse.
Beinahe hätte ich laut gelacht.
„Innen und außen“, bestätigte ich mit Grabesstimme.
„Tja“, sagte sie.
„Das ist Beweis genug. Ich kann mir wahrlich nicht vorstellen, dass einer unserer Schüler freiwillig mit Kuhmist hantieren würde. Die benötigen schon Handschuhe, wenn sie ihren eigenen Müll aufsammeln sollen.“
Wir wussten beide, dass sie bei der Erwähnung des Kuhmists ganz klar einen Schüler vor Augen hatte, dem sie die Aktion zutraute. Wir wussten aber auch beide genauso sicher, dass sie ihn auf keinen Fall verraten würde.
Ich verlegte mich auf eine andere Taktik. „Wen könnte ich denn fragen? Es gibt doch immer so eine Schülergruppe, die genau weiß, was so abgeht.“
„Tja, wenn Sie mich so fragen. Sie könnten mit den beiden Schülersprechern anfangen. Ausgebildete SV-Vertreter, rhetorisch geschult.“
„Mit anderen Worten vom Stamm „Nichts sehen, nichts hören, nichts riechen und schon gar nichts verraten“. Das hilft mir nicht weiter. Sehen Sie, wir sind verpflichtet zu ermitteln, wenn eine Straftat begangen wurde.“
„Ich verstehe Sie sehr gut, aber sehen Sie, ich bin verpflichtet, meine Schüler zu beschützen so gut ich kann.“
„Auch wenn sie Straftaten begehen?“
Im ersten Augenblick dachte ich, sie würde mich am Kragen packen und aus dem Büro schleifen, doch dann atmete sie tief durch und drohte mir mit dem Zeigefinger. „Sie wollen mich provozieren. Straftaten. Ein Dummer-Jungen-Streich ist das, weiter nichts.“
„Es ist erheblicher Sachschaden entstanden.“
Sie wiegte den Kopf. „Sachschäden sind hundertmal besser als Personenschäden, oder?“
So leicht wollte ich sie nicht davonkommen lassen. Doch das Pausenzeichen verhinderte meine Antwort.
11
Lars saß noch immer an der gleichen Stelle im Rondell, seine Kamera auf dem Schoß, als es zur großen Pause klingelte. Er konnte Valentin, Philip und Gordon sehen, die sich unter einem der großen Bäume anschwiegen. Ihre Köpfe drehten sich wie auf Befehl in Richtung Eingangstür. Kurz darauf tauchte Heckmanns Silhouette vor den Jungs auf. Mittwochs hatte ausgerechnet er hier Aufsicht. Die Bergmann sah nie, wenn einer rauchte. Der Heckmann sah alles und meldete alles.
Heckmann verharrte. Wollte er mit den dreien sprechen? Das hatte es noch nie gegeben. Befehle, Anweisungen, Verweise? Jederzeit. Nette Worte, ein Gespräch? Fehlanzeige.
Plötzlich knallte etwas. Heckmann drehte sich um. Es knallte wieder. Gordon oder Philip, Lars konnte es nicht genau sehen, stürzte. Heckmann rannte davon. Lars riss die Kamera hoch.
Noch ein Schuss. Michelle zuckte zusammen, hob beide Hände zur Brust. Schaute erstaunt. Sackte in sich zusammen.
Durch sein Objektiv sah Lars das Blut auf ihren Händen. Gordon kroch auf allen vieren zu ihr, packte sie an den Schultern, warf sich auf sie. Ein weiterer Schuss ließ Steine spritzen. Lars spürte sein Herz rasen.
Der nächste Knall riss Valentin nach unten. Die Kamera in Lars’ Händen zitterte so sehr, dass er nichts mehr erkennen konnte. Kinder schrien, liefen durcheinander.
Lars rannte auf den Schulhof.
Nora, er musste seine Schwester finden.
Und Gini.
Frau Bergmann scheuchte eine Schülergruppe in die kleine Turnhalle. Zwei Mädchen in Star-Oil-Shirts rannten durch die Tür. Ein Schuss zerschmetterte ein Fenster des Gebäudes, nachdem
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