Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausweichmanöver (German Edition)

Ausweichmanöver (German Edition)

Titel: Ausweichmanöver (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Hartmann
Vom Netzwerk:
Heckmann, und bring ihn ins Sekretariat.“
    Ich lief ins Haus. Frau Stellmacher stand am Fenster. Ich war mir sicher, dass sie nichts sah. Sie drehte sich um.
    „Sie sollten sich Gesicht und Hände waschen. Sie sind voller … schmutzig.“
    „Ich muss Ihnen erst noch etwas sagen, erklären, bevor dieser … bevor Herr Heckmann auftaucht.“
    „Nur zu.“
    „Sehen Sie, Herr Heckmann ist schwierig“, sie zögerte, wusste augenscheinlich nicht, wie sie sich ausdrücken sollte.
    „Er ist streng und selbstgerecht. In Mathematik ein Genie, keine Frage. In Physik eine Koryphäe. Menschlich …“ Sie seufzte. „Ich rede um den heißen Brei herum.“
    Sie ging zu ihrem Schreibtisch, nahm einen Ordner aus dem Regal. Er war so dick gefüllt, dass er aufsprang, als sie ihn auf den Tisch legte.
    „Das sind alles Beschwerden über Herrn Heckmann, hauptsächlich von Schülerinnen, einige von Schülern und ein paar von Eltern, wirklich nur ein paar, leider.“
    „Ich verstehe nicht.“
    „Hätte es massive Elternbeschwerden gegeben, wäre mein Stand gegenüber der Landesschulbehörde ein besserer. Wissen Sie, wie schwierig es ist, einen Beamten auf Lebenszeit aus dem Schuldienst zu entfernen?“
    Ich konnte es mir lebhaft vorstellen, dachte an verschiedene Kollegen, die oft krank waren, ihre Aufgaben nur halbherzig oder gar nicht erledigten. Jede Dienststelle schleppte solche durch.
    Sie hatte mich beobachtet. „In Schulen heißen die Wanderpokale. Sie werden für zwei Jahre abgeordnet oder versetzt. Dann häufen sich die Beschwerden, und sie werden weitergereicht. Neue Schule, neues Glück.“
    „Oder Pech für die Schüler.“
    „Nicht nur für die. Die Kollegen leiden auch.“
    Sie zog einen Mundwinkel hoch. „Und die Schulleiterinnen. Aber darüber wollte ich gar nicht sprechen. Heckmann ist ein Ekel, überheblich, arrogant, hält Frauen für angeboren dumm. Trotzdem ist er irgendwie gerecht. Die Noten, die er gibt, sind gerechtfertigt. Man kann einwenden, dass er allen den Spaß an der Mathematik vergällt, dass einige Schülerinnen vielleicht mehr Zeit und Arbeit investiert hätten, wenn sie von einem Kollegen unterrichtet worden wären, der sie ernst genommen und an sie geglaubt hätte. Andere Kollegen geben auch mal aus pädagogischen Gründen den einen oder anderen Punkt mehr.“
    Hatte ich richtig gehört? „Sie meinen, es gibt Punkte aus Mitleid?“
    Sie sah mich streng an.
    „Macht es Sinn, wenn jemand sein Abi nicht packt, weil ihm ein Punkt in Kunst, Französisch oder Mathematik im Grundkurs fehlt?“
    Ich erinnerte mich gut an meine Schulzeit.
    Es gab sie immer, die Sonderlinge, die in einem Fach einfach nichts auf die Reihe kriegten. Alles andere lief akzeptabel oder sogar super gut, aber in Kunst nur Ausfälle. Elke hatte mir im Abschlussjahrgang meine Bilder gemalt, mit der linken Hand, damit es nicht auffiel.
    „Ich sehe, Sie verstehen mich. Ich habe nie geglaubt, dass Herr Heckmann Anlass zu dramatischen Entwicklungen bieten würde.“
    Jetzt log sie. Oder hatte sie die Möglichkeiten einfach verdrängt. Ich ärgerte mich. „Es geht um Abi oder nicht, das ist existenziell. Da stecken Eltern hinter, Lebensträume, Versagensängste. Sagen Sie nicht, Sie hätten nicht erkannt, dass da eine Zeitbombe schlummerte.“
    Zum ersten Mal reagierte sie kleinlaut.
    „Ich hatte gehofft, ich könnte rechtzeitig eine Versetzung bewirken …“
    Pause.
    „Oh Gott, ist alles meine Schuld?“
    Wortlos verschwand sie.
    Ich sah ihr hinterher. Schuld? War sie schuldig? Hätte Sie erahnen müssen oder können? Wer war ich, das zu entscheiden?
    Kofi erschien mit Heckmann. Tadelloser Anzug. Arroganter Gesichtsausdruck. Ein wenig bleich um die Nase.
    Kofi setzte sich an den Schreibtisch, klappte sein Notizbuch auf und wartete. Das hieß, ich sollte den Kerl befragen. Auch gut.
    Ich bot ihm keinen Sitzplatz an. War ja nicht mein Büro.
    Heckmann konsultierte seine Uhr. „Ich habe seit 28 Minuten Feierabend.“ Er lächelte dünn. „Wissen Sie, mittwochs mache ich noch die Hofaufsicht in der ersten großen Pause, danach habe ich frei.“ Er versuchte, sich lässig auf die Armlehne des roten Sessels zu setzen. Das misslang. Er rutschte in den Sitz. Da er ziemlich groß war, saß er nun sehr unbequem. „Ich sollte im Laufe des Vormittags wegen meines gestohlenen Volvos zur Dienststelle kommen.“ Er rieb sich die Hände. „Nun, ist das wohl nachrangig, oder? Tja, das haben Sie davon. Ihre Kollegen wollten mir

Weitere Kostenlose Bücher