Ausweichmanöver (German Edition)
nicht glauben, dass das ein Anschlag auf mich war. Ich habe es gleich gesagt.“
Ich ging auf sein Lamento nicht ein. „Sie sind davon überzeugt, dass der Anschlag Ihnen galt?“
„Selbstverständlich.“
„Wie kommen Sie darauf?“
„Sehen Sie, ich forciere das Darwinsche Prinzip der Auslese auch im Mathematikunterricht. Erfolglose Arten werden ausgemerzt. Sie sind doch mit den Lehren Darwins vertraut, oder?“
Ich schwankte innerlich zwischen eins auf die Fresse und einem Tritt in die Eier, sagte aber betont sachlich: „Sie wollen ausdrücken, dass Sie einen Schüler dermaßen unter Druck gesetzt haben, dass er …?“
„Dampf ablassen musste? Gewissermaßen. Ich stand mit dem Rücken zur HAWK, wo der Täter offensichtlich Quartier bezogen hatte. Um mich herum schlugen die Kugeln ein. Offensichtlich sind seine Fähigkeiten im Schießen auch eher marginal.“
„Sie haben sich dann in Sicherheit gebracht?“
„Nach Norden, hinter das Turnhallengebäude.“
Ich warf Kofi einen fragenden Blick zu.
Der nickte.
„Durchaus plausibel. Wir haben Kugeln im Baum und in der Hauswand gefunden.“
„Wollen Sie jetzt endlich den Namen des Schülers, um ihn zu verhaften?“
„Timo Fleck, Jahrgang 11, die Kollegen suchen ihn bereits. Das hatten sie vor einer guten Stunde bereits gemeldet. Gab es einen aktuellen Auslöser?“
„Seine Freundin hat heute in der Mathematikstunde eine typisch pubertäre Verweigerungshaltung demonstriert. Damit hat sie den Unterkurs und ihr Abiturschicksal besiegelt.“
Ich enthielt mich jeden Kommentars. Abiturschicksal. Er spielte Schicksal. Offenbar auch mit seinem eigenen. „Hat das Mädchen einen Namen?“
„Selbstverständlich!“
Ich rollte mit den Augen. Doch Kofi kam mir zuvor. „Julia Sproy, wohnt in der Liebigstraße.“
Das verblüffte den Knilch. Ich jubilierte innerlich. Super, Kofi.
Frau Stellmacher betrat das Büro. Sie setzte sich wortlos in den Besucherstuhl vor dem Schreibtisch.
„Dieser Schüler, Timo, hat also Ihrer Meinung nach am Pfingstmontag Ihren Wagen gestohlen.“
Heckmann ereiferte sich wie auf Knopfdruck. „Er hat ihn neben einen, einen solchen, Sie wissen schon, so ein fahrendes Bordell gestellt. Alle Lampen an, damit auch jeder, der vorbeifährt, sieht, dass mein Wagen da steht. Als ob ich das nötig hätte. Ich habe mehr Frauen zur Verfügung als er.“ Da er bemerkte, dass er gerade die Contenance verlor, strich er sich durchs Haar und sprach mit ruhigerer Stimme weiter: „Außerdem hat er den Wagen innen und außen mit Exkrementen beschmutzt.“
„Das ist kein Beweis“, sagte Frau Stellmacher.
Heckmann fuhr herum. „Sie stehen immer auf der Seite der Schüler.“
Nicht unbedingt der schlechteste Vorwurf, den man einer Schulleiterin machen konnte, fand ich.
„Die Kollegen sind mit dem Wagen noch nicht fertig. Ich glaube jedoch kaum, dass wir verwertbare Spuren finden werden. Der Täter hat garantiert Handschuhe getragen.“
„Fragen Sie Timo einfach. Wenn er’s war, gibt er’s zu“, sagte Frau Stellmacher.
Alle schauten sie an. „Timo ist einer der schwierigsten, aber auch der intelligentesten und geradlinigsten Schüler dieser Schule. Wenn Sie ihn wie einen Erwachsenen behandeln, benimmt er sich auch so.“
„Wollen Sie damit andeuten, dass …“ Heckmann echauffierte sich schon wieder.
Die Stellmacher stand auf. „Ich will gar nichts andeuten. Ich sage ganz klar, dass ich die Art, wie Sie mit jungen Menschen umgehen, für mehr als falsch halte.“
Er wich zurück, bog dann den Hals nach vorne und sagte: „Mehr als falsch geht nicht.“
„Doch“, Kofi unterbrach ihn. „Falsch ist es zu sagen, eine Tomate sei ein Gemüse, mehr als falsch dagegen ist es zu sagen, eine Tomate sei eine Hängebrücke.“
Heckmann sackte in sich zusammen. Kofi und die Stellmacher grinsten und sagten dann beide: „Big Bang!“
Ich verstand kein Wort, wandte mich wieder an Frau Stellmacher. „Ihrer Meinung nach hat Timo Fleck das Auto gestohlen und verdreckt, er ist aber nicht der Attentäter.“
„Es ist durchaus möglich, dass Timo den Wagen geliehen hat, aber geschossen hat er nicht, niemals.“
Kofi zuckte mit den Schultern. „Wir haben wenig über ihn. Ein Autodiebstahl, eine Anzeige, weil er sich in den Computer der Zulassungsstelle gehackt hat.“
„Er will nur wissen, ob er’s kann. Danach interessiert es ihn nicht mehr.“ Frau Stellmacher war wieder aufgestanden. „Kommen Sie, ich zeige Ihnen was.“
Sie
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