Ausweichmanöver (German Edition)
Spur?
„Wie?“
„Er hat auf den letzten Drücker abgesagt, ist ganz plötzlich nicht mitgeflogen.“
„Okay, dann war er wohl auch nicht in Einbeck, als bei Eggebrechts eingebrochen wurde?“
„Einbeck? Sagt mir nichts.“
„Laut seinem Blog war er übers Wochenende in Einbeck.“
„Während die Eggebrechts in Kiel waren.“
„Einbeck. Einbeck war bisher gar nicht vorgekommen. Gibt es einen Hinweis, wo er war, was er da gemacht hat?“
„Nichts, kein Foto, keine Adresse. Allerdings hat er an dem Wochenende tatsächlich keine Mail von seinem Rechner aus geschrieben, und auch der Blog hat geruht.“
„Anschließend kein Bericht.“
„Ein lapidares ‚Bin wieder da!‘ Mehr nicht. Ich habe den Kollegen in Einbeck unsere Suchanfragen persönlich ans Herz gelegt. Bisher ohne Ergebnis. Scheinbar ist er da nicht aufgefallen.“
„Was ist mit Julias Rechner?“
„Der hilft uns noch weniger weiter. Sie hat ihn hauptsächlich zum Chatten verwendet. Wir haben die Protokolle ausgewertet. Es ging hauptsächlich um ihre Probleme, in der Schule, mit ihren Eltern, mit Timo, mit ihrer besten und der zweitbesten Freundin, mit den ‚Tussen‘ aus der Zwölf und so weiter.“
„Suizidgefährdet?“
Marc wand sich. „Weiß nicht. Glaube nicht. Sie hat Mangas gemalt.“
„Mangas?“
„Japanische Comics.“
„Was sagt uns das?“ Ich verstand nicht so recht, was das bedeutete.
„Sie hat schon einen Namen in der Szene. Die Leute mögen ihre Geschichten. Sie hat eine Reihe mit Tomi und Lauji, was wohl Anagramme für Timo und Julia sind. Eine heiße Lovestory. Die zweite Reihe ist scheinbar ganz was Besonderes, die spielt im Wilden Westen.“
„Da hat sie die Infos zu Hause direkt neben dem Bett stehen. Du denkst, dass sie in diesem Bereich so viel Anerkennung bekommt, dass das alles andere ausgleicht?“
„Sie hat ein Angebot von einem Verlag. Wenn sie das Abi schafft, kann sie da anfangen.“
„Wenn sie das Abi schafft. Genau das scheint das Problem zu sein, oder?“
„Sie hat keine schlechten Noten.“
„Nur in Mathe.“
„Nur in Mathe. Willst du ein paar ihrer Mangas sehen?“, fragte Marc.
Ich überlegte. „Die sind digitalisiert?“
„In ihrem Zimmer haben wir keine gefunden. Unter dem Bett stand eine Schachtel mit speziellen Stiften und hochwertigem Papier. Außerdem gab’s einen Skizzenblock und eine angefangene Zeichnung. Scheinbar bewahrt sie die fertigen Sachen irgendwo anders auf.“
„Habt ihr den Vater gefragt?“, wollte Kofi wissen.
„Der hat nur gesagt, sie hat schon immer alles vollgekritzelt. Die Mutter wusste, dass Julia viel malt, hatte aber keine Ahnung, wo die Sachen sind. Sie hat uns ein paar Bilder gezeigt, die Julia ihr zum Muttertag gemalt hat.“
Kofi sagte: „Lass uns mal einen Blick auf die Mangas werfen. Du kannst sie auf meinen PC schicken. Vielleicht verrät uns die Lovestory etwas über den heimlichen Treffpunkt der beiden Liebenden.“
29
Lars hatte seinen Vater zur Tür begleitet. Nora war noch nicht zurück, genauso wenig wie seine Mutter, die mittags nur zögerlich zur Spätschicht in die Spielhalle an der Allersheimer gegangen war. Seither hatte sie dreimal angerufen. Deshalb dachte Lars jetzt auch an seine Mutter, als sein Handy klingelte.
„Ja, was ist?“
„Das wollte ich von dir wissen. Ihr müsst ja wahnsinnig Sehnsucht nach mir haben. Mein ganzer Account ist blockiert.“
„Timo!“ Lars rief den Namen und hielt sich dann erschrocken den Mund zu. „Leg nicht auf. Mann, bin ich froh, dich zu hören. Geht’s dir gut? Ist Julia bei dir?“
„Alles easy. Was ist los, seid ihr alle durchgeknallt?“
„Timo, setz dich und hör mir zu. Ich weiß nicht, wie lange wir reden können.“
„Beruhige dich, mein Akku ist voll.“
„Darum geht es nicht. Sie sind hinter dir her, wegen des Überfalls.“
„Überfall??“
„Auf unsere Schule.“ Lars atmete tief durch und flüsterte dann: „Philip und Michelle sind tot. Jemand hat auf uns geschossen. Heckmann und die Polizei glauben, du warst es, aus Rache. Gordon und Valentin sind auch verletzt.“
Lars lauschte. Nichts. Noch nicht einmal ein Atemgeräusch.
„Timo?“
Lars schaute auf das Display. Die Verbindung stand noch.
„Timo, bist du da?“
„Ja, bin ich. Julia hat gerade den Fernseher angemacht.“ Pause. Im Hintergrund hörte Lars Stimmen und Sirenen.
„Timo, die sind hinter dir her. Ich weiß nicht, ob die dein Handy orten können.“
„Das soll ich gewesen
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