Ausweichmanöver (German Edition)
Michelle. Michel. Michel. Michelle. Es gelang ihm nicht.
Er musste etwas tun.
Die Sache zu Ende bringen.
Heute.
Jetzt.
Er zog den dunkelblauen Parka an, steckte den Totschläger in die Innentasche und ging in Richtung Stadtzentrum.
Die Adressen hatte er auswendig gelernt, alle. Fleck, Willig, Shekovietz, Asmus, nicht in der gleichen Straße, aber nahe genug beieinander.
Das Fleck-Haus beunruhigte ihn. Es sah nach Alarmanlage und Überwachungskamera aus. ‚Die sollten sich mal einen Volvo kaufen‘, dachte er.
Bei Asmus brannte noch Licht, eine Frau in der Küche. Spätschicht, oder was?
Dann eben zum nächsten.
Er versuchte noch, die Hausnummer zu erkennen, als sich die Tür öffnete und Valentin in den Vorgarten trat. Sebastian sah ihn genau, wich zurück in den Schatten eines Baumes. Nachdem die Haustür geschlossen war, wurde es stockfinster. Die Laternen standen viel zu weit auseinander.
Valentin wandte sich nach rechts. Er ging schnell.
Wo wollte der Russenscheißer hin? So spät in der Nacht? Kleine Kinder gehören um die Zeit ins Bett.
Sebastian grinste. ‚So, mein Scheißerchen, jetzt zeigst du mir, was du vorhast, und dann geht’s zur Sache. Noch einmal entkommst du mir nicht. Hoffentlich hast du dich ordentlich von deinen Eltern verabschiedet. Es war das letzte Mal.“
31
Nachdem Marc unser Büro verlassen hatte, war ich zu meinem Wagen geeilt. Mir blieb noch eine gute Dreiviertelstunde, bis ich in Hellers Hof sein sollte.
Ob Mausig meinen Passat kannte? Wahrscheinlich! Ob er drauf achtete, war eine andere Frage.
Ich fand einen Parkplatz in der Altendorfer Straße auf der gegenüberliegenden Straßenseite, vor der Symrise-Halle. Den Eingang und den Parkplatz vor dem Restaurant hatte ich ausgezeichnet im Blick. Ich konnte auch den Eingang zum Hotel einsehen, der links von dem Fachwerkhaus lag, in dem sich das Restaurant befand, soweit ich wusste.
Es kam niemand, den ich kannte. Doch Bürgermeister Daul, mit seiner Frau. Hm, das musste Zufall sein.
Zu spät fiel mir ein, dass es wohl einen Hintereingang geben musste oder dass die Versammlung schon angefangen hatte.
Ich sperrte meinen Passat ab und ging in die Gaststube. Erst mal die Lage checken. Ich setzte mich an einen Tisch in der Ecke, von dem aus ich den Eingangsbereich überblicken konnte.
Zwei Japaner aßen Schnitzel. An einer längeren Tafel feierte man Geburtstag. Die an dem Tisch in der Ecke, das konnten Einheimische sein. Sie sprachen über Änderungskündigungen.
„Verzeihen Sie, Herr Ollner?“
Die Frau, die mir das Bier eingeschenkt hatte, stand vor mir.
Ich nickte.
„Bin ich.“
„Die Herren erwarten Sie. Wenn Sie mich begleiten würden.“
Verdutzt stand ich auf. Ließ Mausig mich beschatten? Ich musste über meine Vermutung lachen. Nein, er war allerdings sehr lange Polizist und wusste, wie die Leute ticken.
„Bitte gehen Sie vor.“
Hatte ich ein verschwiegenes Treffen im Halbdunkel erwartet? Irgendwie schon. Verblüfft nahm ich zur Kenntnis, dass die fünf Männer um Lothar Mausig an einem Tisch in einer Laube am Rande des Saales saßen. Nur dort brannte Licht, der restliche Raum lag im Halbdunkel. Ein Platz war frei. Auf dem Tisch standen Teller und Schalen. Ich roch Sauerkraut und Braten. In der Mitte thronte ein Wimpel auf einem Holzklotz. Der Wimpel war mit dem mittelalterlich anmutenden Stich eines hoch aufgerichteten Pavians verziert, der drohend sein Maul aufgerissen hatte und seine Hauer präsentierte.
Mausig erhob sich, als ich eintrat. „Herzlich willkommen!“ Er drückte meine Hand. „Meine Herren, darf ich Ihnen Stefan Ollner vorstellen. Kriminalhauptkommissar aus Hamburg, vor sieben Monaten hat es ihn nach dem Tod seiner Frau nach Niedersachsen verschlagen, und die hatten nichts Eiligeres zu tun, als ihn zu uns ins schöne Holzminden zu schicken.“
Ich nickte allen zur Begrüßung zu, während Mausig sie vorstellte. „Herrn Kurt Wenzig, unseren Amtsrichter, kennen Sie. Links von ihm sitzt der Apotheker Ludger Börndl, zwei erwachsene Kinder, geschieden, leidenschaftlicher Segelflieger. Mit Herrn Paul Rahner, Bauunternehmer aus Eschershausen, hatten Sie auch schon das Vergnügen. Er kandidiert übrigens für die Grünen, und das in seinem Alter.“ Mausig schüttelte den Kopf in gespieltem Entsetzen. Er zeigte auf einen korpulenten Mann mit Stirnglatze und runder Goldbrille. „Das ist unser Herr Stadtbaurat Johannes Knesebeck, und zu seiner Linken sein bester Freund und Schwager, Herr
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