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Ausweichmanöver (German Edition)

Ausweichmanöver (German Edition)

Titel: Ausweichmanöver (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Hartmann
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machen?“
    „Immerhin hat sie sich nachts aus dem Haus geschlichen.“
    „Immerhin hat sie uns und die Polizei sofort um Hilfe gebeten, nachdem sie den Jungen entdeckt hatte.“
    Ein bisschen konnte ich ihn verstehen. In ihrer Not hatte sie ihren Papa angerufen, er sollte die Welt für sie wieder in Ordnung bringen. Doch das funktionierte nicht. Zumindest hatte sie Eltern, die sie auffingen.
    Wir hatten alles veranlasst, was nötig war und wollten gerade selbst die Strecke abfahren, als auf dem Flur Stimmen zu hören waren.
    Es klopfte. Ein junger Mann, helle Canvashosen mit vielen Taschen, kunstvoll zerstrubbelte blonde Haare. Ich erkannte ihn sofort: Käppi-verkehrt-herum-auf ohne Käppi.
    „Guten Morgen, ich bin Timo Fleck. Meine Mutter sagt, Sie möchten mit mir sprechen.“
    „Das ist richtig.“ Ich schaute auf den Flur. War er allein gekommen? Nein, Frau Fleck, ein Mann in einem Nadelstreifenanzug, wahrscheinlich Vater Fleck, und ein Mädchen mit Rucksack und schwarz gefärbten Haaren, ohne Zweifel Julia Sproy, standen an der Wand.
    Kurz entschlossen bat ich alle ins Büro. Es wurde ein wenig eng. Julia setzte sich in die Fensterbank und schaute uns herausfordernd an. Frau Fleck lächelte ununterbrochen, während Herr Fleck sich umständlich einen Stuhl vom Flur holte und neben seinen Sohn stellte, der sich auf unseren Besucherstuhl gesetzt hatte.
    Ich wandte mich zuerst an Julia. „Ihre Eltern machen sich große Sorgen.“
    An ihrer Stelle antwortete Herr Fleck. „Wir waren heute Morgen bereits bei Familie Sproy. Sie haben erlaubt, dass Julia als Zeugin mit zur Polizei kommt. Danach geht sie zu ihren Eltern zurück.“
    Ich bat Kofi mit einem Blick, das zu überprüfen. Während er telefonierte, nahm ich die Personalien auf. Warum ich nicht sofort zur Sache kam? Weiß ich nicht. Ich wollte es gern ruhig und geordnet, wollte Zeit haben, alles genau anhören, um etwaige Unstimmigkeiten oder Ungenauigkeiten zu erkennen und angemessen reagieren zu können.
    Ich atmete tief durch.
    „Dann erzählen Sie mal. Am besten beginnen Sie mit dem Verlassen der Schule.“
    Timo beugte sich vor, hielt beide Hände gefaltet vor sich auf dem Tisch. „Julia hat den Klassenraum verlassen, weil Heckmann sie gequält hat.“
    „Gequält?“
    „Er hat sich über sie lustig gemacht, hat sie diffamiert. Er wollte die „Sproy“ vom Weizen trennen. So was findet der witzig.“ Herr Fleck legte seinem Sohn die Hand auf den Arm. Der beruhigte sich tatsächlich. „Jedenfalls wollte sie sich das nicht bieten lassen und ist gegangen. Ich bin ihr gefolgt.“
    „Warum?“
    „Ich hatte Angst, dass sie Dummheiten macht. Ihr Vater ist ziemlich streng. Wenn sie das Jahr nicht schafft, muss sie abgehen.“
    „Sie haben gemeinsam die Schule verlassen?“
    „Julia war schon auf dem Weg zum Bahnhof. Ich habe sie erst vor der Volkshochschule eingeholt.“
    „Woher wussten Sie, dass sie zum Bahnhof wollte?“
    „Gewusst habe ich es nicht, nur geahnt. Außerdem war es das Sicherste.“
    „Wie meinen Sie das?“
    „Wenn sie aus Holzminden wegwollte, ging das nur über den Bahnhof oder den Busbahnhof. Das musste ich zuerst überprüfen. Wenn sie in der Stadt geblieben wäre, hätte ich sie später immer noch finden können.“
    „Warum hat sie nicht auf Sie gewartet?“
    „Ich habe sie genervt.“
    „Womit?“
    „Ich habe gesagt, sie soll ihre Eltern in den Wind schießen und ihr Ding machen. Das wollte sie nicht. Sie will sie nicht verletzen.“
    „Das können Sie nicht nachvollziehen?“
    Bevor er antworten konnte, berührte sein Vater ihn mit dem Ellenbogen und murmelte: „Das steht hier nicht zur Debatte.“
    „Wie ging es weiter?“
    „Julia wollte weg. Sie wollte alles in Ruhe durchdenken und dann entscheiden. Ich sollte erst nicht mitkommen.“
    Plötzlich sprach Julia. „Er hat mich daran erinnert, dass ich mich nachts in dem alten Haus immer gefürchtet habe.“
    „Sie sind also gemeinsam nach Einbeck gefahren?“
    Timo wirkte ein wenig verblüfft. Der Vater ließ sich nichts anmerken. Er legte Fahrkarten auf den Tisch.
    „Wir sind erst nach Northeim gefahren, um 9.04 Uhr, das war der nächste Zug, der in die richtige Richtung fuhr. Von Northeim aus sind wir um 11.20 Uhr nach Einbeck gefahren.“
    Ich drehte mich zu Julia um. „Ihre Eltern wissen nichts von dem Haus Ihrer Tante?“
    „Tante Agathe ist die Schwester meiner Mutter. Sie ist nicht gut auf meinen Vater zu sprechen, weil er so viel trinkt und meine

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