Ausweichmanöver (German Edition)
fallen. Ich war gerade dabei, den Gürtel in eine frisch gewaschene Jeans zu fädeln, als Kofi unten hupte.
Im Vorbeigehen klaubte ich mein Handy aus der Ladestation und verließ die Wohnung.
„Morgen, hast du eine Ahnung, worum es geht?“, fragte ich.
Kofi schnalzte mit der Zunge. „Mausig hört das Gras wachsen. Ich bin mir nicht sicher, ob er wirklich mehr oder andere Informationen hat als wir. Manchmal glaube ich eher, er geht irgendwo spazieren und die Spatzen erzählen ihm unterwegs, wo sich was zusammenbraut.“
„Du meinst, wie beim Krankenhaus. Er hat einen Vorsorgetermin, und es passiert etwas.“
„So ungefähr. Wir hatten mal einen Fall, bei dem ein Exhibitionist auch schon mal handgreiflich wurde. Trotz recht guter Beschreibungen der betroffenen Frauen konnten wir ihn ewig nicht ergreifen. Eines Abends marschiert der Mausig in unser Büro und sagt: ‚Meine Herren, ich empfehle Ihnen einen Spaziergang über den Neuen Friedhof. Es soll da nicht geheuer sein.‘ Wir haben uns königlich amüsiert, sind aber zu viert hingefahren. Vor Ort haben wir uns aufgeteilt, sind wie normale Friedhofsbesucher gemächlich zwischen den Gräberreihen gewandelt. Plötzlich ein Schrei, dann Gezeter, und schwupp hatten wir unseren Mann.“
„Habt ihr ihn danach nicht gefragt, woher er es gewusst oder geahnt hat?“
„Klar, er hat unsere Fragen einfach ignoriert oder mit einem verständnislosen ‚Ich verstehe nicht, was Sie meinen, meine Herren‘ beantwortet.“
Da ich weder an sprechende Spatzen glaubte noch an übersinnliche Fähigkeiten, musste Mausig ausgesprochen gut darin sein, sich in einen Täter hineinzufühlen. Hatte er eine Profilerausbildung? Oder war es Instinkt?
Wir hatten gerade die Rechner hochgefahren, als der Kollege vom Empfang einen Mann in unser Büro brachte. Er sah übernächtigt aus. Schwarze Haare mit weißen Strähnen, dunkler Anzug und sündhaft teure, weiche Lederschuhe mit einem kleinen Absatz, wie Tanzlehrer sie trugen.
„Ignacio Belfano, guten Morgen. Ich möchte eine Vermisstenanzeige aufgeben.“ Er nickte Kofi zu. „Sie wollten Eugenia sprechen, deshalb habe ich sie nach Hause gebeten. Doch sie ist nicht angekommen, die ganze Nacht nicht. Meine Frau hat mit ihren Freunden telefoniert. Niemand hat sie gesehen, nachdem sie von ihrer Freundin weggegangen ist.“
Er klang, als habe er den Text auf dem Weg hierher auswendig gelernt. Kofi bot ihm einen Stuhl an. „Wann genau wurde sie zuletzt gesehen?“
Ich spürte, wie meine Hände zitterten. Nicht noch ein Überfall.
„Sie erinnern sich, dass ich versucht habe, sie anzurufen, als Sie bei uns waren?“
„Das Handy war ausgeschaltet.“
„Ich habe es den ganzen Nachmittag immer wieder versucht. Als wir den Laden zugemacht haben, habe ich sie erreicht.“
„Wo war sie?“
„Bei Nora Asmus.“
„Der Schwester von Lars Asmus?“
„Die Mädchen sind Klassenkameradinnen.“
Ich warf eine Frage in den Raum. „Sind sie auch in der Band?“
„Star Oil? Ja, ja, was hat das mit Ihrem Verschwinden zu tun?“
„Trug Eugenia gestern das Gruppen-Shirt?“
„Ja, schwarzes T-Shirt und blaue Jeans, aber sie hatte eine blaue Windjacke mit, sagt meine Frau.“
„War sie zu Fuß unterwegs?“
„Ich habe mit Nora telefoniert. Sie sagt, Gini ist nach meinem Anruf sofort losgegangen. Sie hat ihr das Fahrrad angeboten, aber Gini hat abgelehnt.“
„Gini ist der Spitzname Ihrer Tochter?“
„Eugenia klingt für deutsche Ohren altmodisch. Sie mag den Namen nicht.“
„Haben Sie ein Foto mitgebracht? Gut! Wir geben die Daten und ihre Beschreibung gleich in die Vermisstendatei ein. Außerdem wäre es hilfreich, wenn Sie uns auf der Karte zeigen würden, wo Eugenia wohl langgegangen ist. Wir schicken dann ein paar Kollegen, die Route zu überprüfen. Vielleicht hat jemand etwas gesehen.“
Herr Belfano nickte schweigend.
„Hat Sie Ihnen irgendetwas über den Überfall auf Valentin erzählt?“
Er erschrak sichtlich. „Glauben Sie, das hängt zusammen?“
Ich wollte dem Mann nicht mehr Angst machen als nötig. Aber wir konnten es nicht ausschließen. Schlimmer noch, es war mehr als wahrscheinlich.
„Sie hat mir nur gesagt, dass sie verhindern wollte, dass ein Freund einen Fehler macht.“
„Hat sie den Namen des Freundes erwähnt?“
„Nein.“
„Sie haben auch nicht danach gefragt?“
„Ich dachte, sie meinte Valentin. Sie war schockiert, hat geweint wie ein kleines Kind, sollte ich ihr da Vorwürfe
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