Auszeit - Die groeßte Katastrophe der Menschheit
auf und kletterte die Leiter des Hochsitzes hinunter, ohne sich darum zu kümmern, ob Henry ihm folgte. Er ging einfach davon aus, dass sein Freund genauso daran interessiert war wie er, einige dieser Enten und Gänse zu erlegen. Henry folgte ihm auch, hielt ihn aber nach wenigen Metern auf.
“Wie ich Deinem Blick und Deiner Entschlossenheit entnehme, willst Du also jetzt das Wildgeflügel abballern?“
“Selbstverständlich, das war doch Dein Vorschlag, wenn ich Dich nicht ganz missverstanden habe?“
“Ja, das war mein Vorschlag“, bestätigte Henry. Nur um Enten und Gänse zu schießen, braucht man Schrotflinten, und haben wir die?“
Heinz blieb abrupt stehen und sah Henry leicht genervt in die Augen.
“Du bist ein alter Spielverderber. Nein, wir haben keine Schrotflinten. Na und, was macht das schon. Schießen wir sie eben mit unseren normalen Gewehren.“
“Bei dem Kaliber das wir haben, machen wir aus den Enten gleich Gulasch. Ich habe einen anderen Vorschlag, der uns noch dazu unsere wertvolle Munition sparen hilft: Wir gehen zurück zur Insel und holen uns Bogen und Armbrust. Soweit ich mich erinnere, kannst Du ganz gut Bogen schießen. Pfeile haben wir mit allen möglichen Spitzen und allen möglichen Stärken. Wir suchen uns einfach die dünnsten aus. Ich nehme die Armbrust mit und schieße mit Bolzen. Die Tiere sind ja nie weit weg vom Ufer und dadurch leicht zu treffen, Ich wette, obwohl wir in der Jagd mit Pfeil und Bogen und der Armbrust noch weniger Erfahrung haben als in der Jagd mit dem Gewehr, werden wir in kürzester Zeit dennoch reiche Beute machen.“
Heinz war von dem Vorschlag begeistert, und es erwachte in ihm wieder das alte Indianerblut aus den Kindertagen, zu der als Häuptling eines vierköpfigen Indianerstammes die Bleichgesichter täglich in die Flucht schlug und in ihre Schranken verwies.
“Manchmal bringst Du echt intelligente Vorschläge“, lobte er seinen Freund. “Man merkt deutlich, dass der ständige Umgang mit mir allmählich positiv auf Dich abfärbt.“
Dabei grinste er von einem Ohr zum anderen, glücklich darüber, dass ihm wieder eine schlagfertige Antwort eingefallen war. Wenn Heinz und Henry guter Stimmung waren, konnten die Unterhaltungen der beiden den ganzen Tag so ablaufen, dass es für die anderen, die zuhörten, die reinste Lustspielaufführung war. Dabei benötigten sie gar keine Zuhörer. Sie schossen sich gegenseitig hinauf, einfach, weil es ihnen Spaß machte und sie selbst dabei ihre Freude hatten. Heute war so ein Tag.
Sie hatten gerade Possenhofen passiert und waren auf dem Seeweg zur Feldafinger Au eingebogen, als sie hinter sich aus der Ferne Hundegebell näher kommen hörten. Obwohl er noch niemals zuvor in einer solchen Situation gewesen war, erkannte Henry Kimm sofort, worum es sich handelte.
“Eine Horde verwilderter Hunde. Die sind genauso gefährlich, wie ein Rudel hungernder Wölfe. Wir müssen uns irgendwo in Sicherheit bringen.“
Das war leicht gesagt, doch kaum zu realisieren. Sie befanden sich in einer Gegend, wo nirgendwo in nächster Nähe ein Haus stand. Sie rannten los und suchten hinter einer Baumgruppe Schutz. Henry hatte die Lage völlig richtig beurteilt. Es waren tatsächlich verwilderte Hunde, die auf der Suche nach Nahrung ihre Spur gewittert hatten und sie nun ganz offensichtlich als Festtagsbraten verspeisen wollten. Gut zum Rücken und zur Seite von den Bäumen abgedeckt, brachten die beiden ihre Gewehre in Anschlag und warteten mit einem mulmigen Gefühl im Bauch auf das, was da auf sie zukam. Sie hatten höchstens zwei Minuten kauernd hinter den Bäumen verbracht, als acht Hunde kläffend und mit gefletschten Zähnen auf sie zugerannt kamen. Es waren Hunde aller Rassen: Zwei Schäferhunde, ein Boxer, ein Dobermann, ein Riesenschnauzer und drei Mischlinge. Der Hunger hatte alle Standes- und sonstigen Unterschiede zwischen Ihnen abgebaut.
“Wir haben keine Wahl“, schrie Heinz. “Entweder sie oder wir.“
Henry nickte nur stumm. Er musste an Feitag denken. Unter anderen Umständen hätte sich Freitag durchaus auch in diesem Rudel befinden können. Doch jetzt ging es ums Überleben, und er durfte einfach nicht daran denken, wie nett und kinderlieb diese Tiere vielleicht einmal gewesen sein mochten. Heinz begann zu schießen. Nicht blindwütig und aufgeregt, sondern ruhig und überlegt, so dass jeder Schuss ein Treffer war. Auch Henry schoss und traf,
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