Auszeit - Die groeßte Katastrophe der Menschheit
das herauskommen würde, wenn man Eins und Eins zusammenzählte, er wusste auch sehr genau, wann der Augenblick gekommen war, um Eins und Eins zusammenzuzählen. Als es keine Möglichkeit mehr gab, die Müllberge abzutransportieren und die vielen Körper der toten Menschen schnell zu beseitigen, war es für ihn eine großflächige Ausbreitung der Cholera nur noch eine Frage der Zeit. Selbst in einem ursprünglich so zivilisierten und hygienisch durchorganisierten Land wie Deutschland müssten Abfallberge und herumliegende Leichen zwangsläufig zu einer Situation führen, wie sie früher von Entwicklungsländern bekannt war. Und Deutschland befand sich nun exakt auf dieser Stufe. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, musste man wirklich nichts von Medizin verstehen. Zu allem Überfluss war es in diesem Jahr außergewöhnlich heiß, was, angesichts der mittlerweile Hunderttausenden von Toten, die Wahrscheinlichkeit einer verheerenden Epidemie erhöhen und beschleunigen würde. Zu viel hatte man bereits darüber gelesen. Hitze und mangelnde hygienische Verhältnisse schufen ein El Dorado für den Erreger der Cholera. Und beides hatten Deutschland und alle anderen europäischen Staaten inzwischen in Hülle und Fülle zu bieten.
Henry Kimm ließ seine Familie deshalb gegen Cholera impfen, schon lange bevor die Epidemie dann tatsächlich auch ausbrach. Ihm war klar, war die Krankheit erst einmal entstanden und wurde dies bekannt gegeben, würde zweifellos ein Rennen um die Impfstoffe stattfinden. Und wenn die Menschen begriffen hätten, dass der Impfstoff knapp werden würde, dann könnte aus diesem Rennen leicht ein Anrennen und letztlich ein nicht einzudämmender und rücksichtsloser Ansturm mit vielleicht sogar tödlichen Folgen werden. Denn wenn es darum ging, das eigene Leben zu retten, würden Menschen zu Taten fähig, die sie sich selbst in ihren kühnsten Träumen niemals zugetraut hätten. Er hütete sich aber davor, seine Familie zu beunruhigen und behielt aus diesem Grunde seine Vermutungen, die sich später so drastisch bewahrheiten sollten, für sich.
Als er den Hausarzt bat, bei seiner ganzen Familie die Immunisierung durchzuführen, war dieser äußerst erstaunt.
“Eine Choleraimpfung, jetzt? Wo wollen Sie denn hin? Es gibt doch gar keine Möglichkeit mehr zu verreisen!“
“Momentan nicht, da gebe ich Ihnen recht. Aber wir haben für die Pfingstferien eine Urlaubsreise nach Indien gebucht“, log er, um nicht Verdacht zu erregen. “Und Pfingsten ist erst in zwei Wochen. Bis dahin läuft das Leben bestimmt wieder seinen alten Trott, und wir können fliegen, wie geplant. Deshalb will ich auch alles so vorbereiten, dass dann unserem Urlaub nichts mehr im Wege steht. Es wäre schlimm, wenn alles bezahlt wäre und letztlich an der fehlenden Choleraimpfung scheitern würde. Nur, weil man sich von einem Stromausfall in Panik versetzen ließ.“
Der Hausarzt schüttelte zwar verständnislos den Kopf und war wahrscheinlich der Meinung, für Henry wäre es besser gewesen, seinen offensichtlich angegriffenen Geisteszustand behandeln zu lassen, er versprach aber dennoch, am nächsten Tag die gewünschte Impfung bei seiner ganzen Familie durchzuführen.
Ähnlich verständnislos reagierte seine Frau, wodurch er sich dann schließlich doch gezwungen sah, sie in seine Befürchtungen einzuweihen. Ohne seine Erklärung hätte sie seine Vorsichtsmaßnahme rücksichtslos boykottiert. Danach hatte sie zwar die verlangte Erklärung, war aber nun aufs Heftigste beunruhigt und bestürmte Henry mit allen möglichen Fragen.
“Glaubst Du denn wirklich, dass keiner an die Möglichkeit einer solchen Epidemie gedacht hat?“
“Nun, ich kann nicht ausschließen, dass es irgendwo auf der Welt einen ähnlich genialen Menschen wie mich gibt, der zum gleichen Ergebnis gekommen ist“, versuchte Henry zu scherzen, “doch schlummert er, ähnlich wie ich, völlig verkannt im Verborgenen vor sich hin.“
“Ich bin jetzt nicht zu Späßen aufgelegt“, meinte Anita leicht ungehalten. “Ich will nur eine ehrliche Antwort.“
“Mit Sicherheit sind andere auch auf die Idee gekommen. Vermutlich behalten die meisten, wie ich, ihre Meinung aber für sich. Wer will schon gerne andere beunruhigen. Sieh Dich doch nur selbst an! Du spielst schon halb verrückt. Und nun stelle Dir einmal vor, was geschieht, wenn die ganze Menschheit plötzlich verrückt spielt! Kannst Du Dir das vorstellen? Kannst du Dir
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