Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
Geschäft etwas zu stehlen, und wurde erwischt. Ich habe ein einziges Mal versucht, Shay in das Haus von Nachbarn, wo ich zum Babysitten war, hineinzuschmuggeln, und wurde erwischt. Ich habe ein einziges Mal die Schule geschwänzt, um mit Dad zu dem Snooker-Turnier zu gehen, und wurde erwischt. Ich habe ein einziges Mal eine Schnecke auf einen Nissan Micra, in dem lauter Nonnen saßen, geworfen, und die Nonnen stiegen aus und beschimpften mich. Man würde also denken, ich hätte reichlich Gelegenheit gehabt zu lernen, dass es sich für mich nicht lohnte, Verbotenes zu tun. Aber ich hatte es nicht gelernt, denn das
einzige Mal, als ich ohne Verhütung mit Shay schlief, wurde ich schwanger.
Vielleicht war es nicht das einzige Mal ohne Verhütung, denn oft vollzog sich der Sex so hastig und riskant, dass es auch vorher zu einem Missgeschick hätte kommen können. Aber es gab eine bestimmte Situation, in der wir kein Kondom hatten und uns nicht bremsen konnten. Shay hatte versprochen, sich rechtzeitig zurückzuziehen, es aber nicht getan, und ich tröstete ihn und sagte, es würde bestimmt nichts passieren. Als wäre meine Liebe für ihn so mächtig gewesen, dass ich meinen Körper zu Gehorsam hätte zwingen können.
Als meine Periode fällig war und nicht eintrat, beschwichtigte ich mich damit, dass es an dem Schulstress lag, denn es waren keine drei Monate mehr bis zu den Prüfungen. Dann sagte ich mir, dass meine Periode erst anfangen würde, wenn ich aufhörte, mir Sorgen zu machen, ob sie kam oder nicht. Aber ich konnte damit nicht aufhören, sondern lief alle zwanzig Minuten zur Toilette, um zu sehen, ob sie angefangen hatte, und ich überlegte bei jedem Bissen, den ich zu mir nahm, ob ich ein besonderes »Gelüst« feststellen konnte. Aber dass ich wirklich schwanger sein könnte, war mir buchstäblich unvorstellbar.
Ich ertrug die Ungewissheit nicht, ich musste Klarheit haben, und als meine Periode drei Wochen überfällig war, fuhr ich in die Stadt – ohne dass mich jemand sah, hoffte ich – und kaufte einen Schwangerschaftstest, und eines Nachmittags, als Shays Mutter ausging, machten wir den Test in ihrem Badezimmer.
Wir hielten uns bei den schwitzigen Händen und beteten, das Stäbchen möge weiß bleiben, aber als das eine Ende sich rosa verfärbte, erlitt ich einen Schock. Einen Schock von der Sorte, bei der Menschen ins Krankenhaus müssen und Beruhigungsmittel bekommen. Ich konnte nicht sprechen, ich konnte kaum atmen, und ein Blick auf Shay sagte mir, dass es ihm ganz ähnlich erging. Zwei verängstigte Kinder, das waren wir beide in dem Moment. Schweißperlen traten mir auf die Stirn und schwarze Balken versperrten mir die Sicht.
»Ich mache alles, was du willst«, sagte Shay, aber ich wusste,
dass er in eine Rolle geschlüpft war. Er war starr vor Schreck, als er seine leuchtende Zukunft vor sich zerkrümeln sah. Mit achtzehn Vater?
»Du kannst auf mich zählen«, fuhr er fort, als läse er die Sätze aus einem schlechten Drehbuch ab.
»Ich glaube nicht, dass ich es bekommen kann«, sagte ich.
»Wie meinst du das?« Er versuchte seine Erleichterung zu verbergen, aber er war wie ausgewechselt.
»Ich meine … ich glaube nicht, dass ich es bekommen kann.«
Der einzige Gedanke, der in meinem Kopf Platz hatte, war der, dass so etwas nicht Mädchen wie mir passierte. Ich wusste, dass viele Frauen ungewollt schwanger wurden; schon damals war mir das bekannt. Und, dass die meisten Frauen am Boden zerstört sind und sich wünschen, es wäre nicht passiert. Aber ich hatte das Gefühl – und vielleicht hatten alle anderen Frauen das auch –, dass es für mich irgendwie schlimmer war.
Wenn jemand so Wildes und Unbändiges wie Claire mit siebzehn schwanger geworden wäre, so vermutete ich, dann hätte das mehr oder weniger dem entsprochen, was man von ihr erwartete, und man würde seufzend den Kopf schütteln und sagen: »Ach, Claire …«
Aber ich war die Brave, ich war meiner Eltern Trost, ich war die einzige ihrer Töchter, bei deren Anblick sie sich nicht fragen mussten: »Was haben wir nur falsch gemacht?« Es war mir unvorstellbar, meiner Mutter diese Nachricht überbringen zu müssen. Und als ich daran dachte, dass ich es Dad sagen müsste, schrumpfte ich innerlich zusammen. Es würde ihn umbringen, ganz sicher.
Ich geriet in schreckliche Panik. Schwanger zu sein schien mit das Schlimmste, was einem Mädchen zustoßen konnte. Innerhalb der Grenzen meiner Mittelklassenwelt gab es
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