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Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Titel: Auszeit für Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Kopf befestigt. Auf der Beliebtheitsskala rangierte ich weiterhin ganz unten. Mum schwankte immer noch zwischen einer Kühle nach dem Motto: »Schlimmer als der scharfe Zahn einer Schlange ist ein undankbares Kind« und den Ermunterungen im Stil von: »Warum reißt du dich nicht zusammen und gehst zu deinem Mann zurück«. Dad behandelte mich nicht so, aber ich war auch immer sein Liebling gewesen. Ich hatte Mannschaftssport gemacht, und einmal war ich mit ihm zu einem Snooker-Turnier gegangen, so dass ich für ihn fast wie ein Sohn war.
    Außerhalb meiner Familie sprach ich mit niemandem. Allerdings gab es einige, die gern mit mir gesprochen hätten. Nichts eignet sich so gut wie eine Katastrophe, um die Drähte heiß laufen zu lassen. Meine Freundinnen Donna und Sinead riefen an, aber ich winkte ab: »Sag ihr, ich rufe zurück«, und tat es dann nicht. Auch Aasgeier wie Elaine riefen an. (Mum fand, sie klänge »reizend«.) Claire rief aus London an und bat mich inständig, zu ihr zu kommen. Rachel rief aus New York an, und auch sie schlug vor, ich könne bei ihr wohnen, aber es bestand nicht die geringste Aussicht, dass ich eine von beiden besuchen würde – der Weg vom Fernseher zum Wasserkessel war so ziemlich der längste, den ich bewältigen konnte.
    Ich rief Garv nicht an – und er rief mich nicht an, was meine Eltern sehr enttäuschte und verwirrte. Irgendwie war es eine Erleichterung, aber gleichzeitig auch eine, die unangenehm war.
    Auch Anna war viel zu Hause – sie war noch immer am Boden zerstört wegen Shane. Wir bemühten uns, möglichst unauffällig zu sein, denn wenn Mum uns zusammen sah, kniff sie den Mund zu einer geraden Linie zusammen und sagte: »Als ob das hier ein Heim für gefallene Frauen wäre.«
    Soweit es uns möglich war, sprachen wir über das Ende unserer jeweiligen Beziehung. Sie erzählte Folgendes von Shane: Er hatte eine Computer-Firma gegründet, die Musik online vertrieb, und von einem Moment zum anderen war sein Ehrgeiz geweckt. »Er hat sich die Haare schneiden lassen. Bei einem Friseur. Da wusste ich, dass es vorbei war. Wahrscheinlich«, seufzte sie, »will er erwachsen werden, und ich nicht. Und was ist mit dir und Garv?«
    »Ach, weißt du …« Ich konnte ihr nicht von der Trüffel-Frau erzählen. Ich hatte einfach nicht die Energie, die nötig war, um die entsprechenden Worte aus meinem Inneren zu holen und auszusprechen.
    »Die meiste Zeit fühle ich gar nichts«, erklärte ich dann. »Es ist ein schreckliches Nichts-Gefühl, aber … ich meine … irgendwie kann das ja nicht richtig sein. Ich müsste doch die ganze Zeit rumschreien oder weinen, oder?«
    Müsste ich nicht in das Haus der Schokotrüffel-Frau einbrechen
und ihr Gras auf dem Teppich säen und Krabben auf die Gardinenstange setzen? Müsste ich mir nicht vornehmen, alle Ärmel und Beine von Garvs Hemden und Hosen abzuschneiden?
    »Ich habe Garv nicht einmal angerufen, um ihm zu sagen, dass ich ihn vermisse.« Obwohl der Schmerz des Vermissens ungefähr einmal pro Stunde durch mich hindurchzuckte. »Mein Leben ist in Scherben, und ich fühle absolut nichts.« Meine Zukunft war ein mit Seilen abgetrenntes Gebiet – hin und wieder erhaschte ich einen Blick auf die Traurigkeit, die vor mir lag, aber das war sofort wieder vorbei. Es war, als würde sich eine Tür zu einem Zimmer voller Lärm öffnen und sofort wieder schließen.
    »Du bist deprimiert«, sagte Anna. »Du bist sehr deprimiert. Das ist doch keine Überraschung nach allem, was du durchgemacht hast, oder?«
    Das passte mir nicht. »Ich neige nicht zu Depressionen.« (Das wusste ich, weil ich einmal einen Fragebogen in Cosmopolitan ausgefüllt hatte.)
    »Aber jetzt hast du eine Depression. Und Garv wahrscheinlich auch.«
    Sie hatte etwas Interessantes, vielleicht sogar etwas Wichtiges gesagt, aber ich konnte den Gedanken nicht festhalten. Ich war zu erschöpft.
    Im Gegensatz zu mir konnte Anna nicht schlafen. Wenigstens nicht in ihrem eigenen Bett, deshalb wanderte sie nachts durchs Haus und zog von Bett zu Bett. Oft legte sie sich neben mich, aber meistens war sie verschwunden, wenn ich aufwachte, und es blieb der schwache Hauch eines freundlichen Gespensterwesens, das viel seufzte und nach Bacardi-Breezers roch. Es war, als würde ich von einem gütigen Geist verfolgt.
    Manchmal lag sie noch neben mir, wenn ich aufwachte. Als ich eines Morgens zu Bewusstsein kam, hatte ich einen Fuß auf meinem Ohr, den anderen in meinem Mund. Aus

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