Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
Mistkerl.
»Dein Vater wollte nicht, dass ich es dir sage, aber du bist wie ich, du hast deinen Stolz, dir ist es lieber, du weißt Bescheid.«
Das stimmte vielleicht, aber es machte mich trotzdem wütend.
»Es tut mir sehr Leid.« Plötzlich klang sie den Tränen nah. »Und es tut mir Leid, dass ich es nicht verstanden habe, als du ihn verlassen hast. Wenn ich irgendwas tun kann …«
In dem Moment fiel mir ein, dass ich ein-, zweimal den Drang verspürt hatte, ihn anzurufen, und ich war unglaublich erleichtert, dass ich es nicht getan hatte. Wie hätte ich mich gefühlt, wenn sie da gewesen wäre? Wenn sie ans Telefon gegangen wäre? Ich hätte mich so gedemütigt gefühlt.
»Hast du sie erkannt?«
»Nein, das nicht.«
Als ich aus dem Zimmer kam, bemerkte Troy: »Deine Mom? Gute Nachrichten verbreiten sich schnell.«
Emily drückte mir die Hand, damit sie aufhörte zu zittern, während eine Flut von gut gemeinten Platittüden auf mich niederregnete. Ich würde drüber hinwegkommen. Der Schmerz würde vergehen. Auch wenn es sich jetzt schrecklich anfühlte, würde es wieder gut werden …
Das Telefon klingelte wieder. Wir sahen uns alle an. Wer könnte das sein?
»Helen«, sagte Emily und reichte mir den Hörer.
»Ihre Schwester«, erklärte sie den anderen.
Ich zog mich wieder ins Schlafzimmer zurück. »Helen?«
Sie sprach zögernd, was ganz untypisch für sie war. »Wahrscheinlich wunderst du dich, warum ich anrufe, und in gewisser Weise frage ich mich das selbst. Es ist etwas passiert, und Mum und Dad haben gesagt, ich soll dir unter keinen Umständen davon erzählen, aber ich finde, du solltest Bescheid wissen. Es hat mit diesem Dreckskerl zu tun, mit dem du verheiratet bist. Ich weiß, dass ich früher manchmal schlimme Sachen über ihn verbreitet habe, aber dies hier ist die Wahrheit.«
»Erzähl.«
»Wir haben ihn heute abend in der Stadt gesehen. Er war mit einer Frau zusammen, und sie hing an ihm wie eine Klette.«
»Wie meinst du das?« Ich wollte mir wirklich vorstellen können, was sie gemacht hatten.
»Er hatte seine Hand um ihre Taille gelegt.«
Mehr nicht?
»Also, etwas tiefer, um ehrlich zu sein«, sagte sie dann. »Mehr auf ihrem Arsch. Er hat sie gekniffen, und sie hat gekichert.«
Ich machte die Augen zu. Das war zu viel. Trotzdem wollte ich mehr wissen.
»Wie sah sie aus?«
»Entstellt.«
»Tatsächlich?«
»Also, nein, aber ich könnte das besorgen.«
»Um Himmels willen, Helen, es ist nicht ihre Schuld.«
»Also gut, dann ihn. Ich kann jemanden beschaffen, der ihm ganz gemein wehtut. Das könnte mein Geburtstagsgeschenk für dich sein. Oder du gibst mir deine Handtasche dafür.«
»Nein. Bitte nicht.«
»Wir könnten sein Haus anzünden.«
»Besser nicht. Es gehört zur Hälfte mir.«
»Ach, stimmt ja.«
»Versprich mir, dass du nichts unternimmst. Ich kann damit leben, wirklich.«
»Es tut mir sehr Leid«, sagte sie und klang aufrichtig. Ich war gerührt.
»Du könntest mir wenigstens erlauben, dass ich jemanden schicke, der ihm die Beine bricht«, fügte sie noch an.
Nur Sekunden, nachdem ich aufgelegt hatte, klingelte es wieder. Anna.
»Auch eine Schwester«, hörte ich Emily zu den versammelten Zuhörern sagen, als ich zum dritten Mal innerhalb von zehn Minuten die Schlafzimmertür hinter mir zuzog.
»Hallo, Anna«, sagte ich forsch und war bemüht, ihr Mitleid und ihre Beklommenheit überflüssig zu machen. »Danke, dass du anrufst, aber ich weiß schon alles über Garv und seine neue Freundin.«
»Was?«
»Ich weiß alles über Garv und die Frau. Mum, Dad und Helen haben mich angerufen und mir davon erzählt. Warum rufst du erst jetzt an?«
»Garv hat eine neue FREUNDIN?« Sie klang entsetzt.
»Wusstest du das nicht?«
»Nein.«
»Ach so.« Sie war noch nie die Allerhellste. »Warum rufst du denn an?«
Große, lange Pause, dann ein hörbares Schlucken. »Ich habe eine Beule in dein Auto gefahren.«
Wieder eine lange Pause, dann ein hörbares Seufzen.
»Ist es schlimm?«, fragte ich.
»Was meinst du mit schlimm?«
»Hast du jemanden überfahren?«
»Nein. Ich bin gegen eine Mauer gefahren; es war sonst niemand dabei. Vorne ist eine Beule, aber hinten ist nicht mal ein Kratzer.«
Ich brauchte einen Augenblick, um das alles zu verdauen. Es müsste mir eigentlich etwas ausmachen, aber es war mir gleichgültig, schließlich war es nur ein Auto.
»Aber Anna, was hast du denn bloß gemacht?«
»Ehm«, sagte sie und klang verwirrt. »Ich bin
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