Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
Martini-Cocktails trinken.
Emily war eindeutig ein schlechter Einfluss. Ich war gar keine Partymieze, aber innerhalb von zwei Tagen hatte ich mich zweimal betrunken. Und ich hatte noch nie geduscht und dabei die Sonnenbrille aufgelassen – was sagte das über die Menschen aus, mit denen ich mich umgab?
Mir hätte das eigentlich nichts ausgemacht, aber ich war die Einzige, die derart mitgenommen war. Ich war um acht mit dem Gefühl aufgewacht, aus einem Koma aufzutauchen, mein üblicher Morgenhorror war noch stärker als sonst, und in der Küche saßen Lara und Emily und tranken Obstsaft und plauderten wie ganz normale Menschen. Hart im Nehmen.
»Alles in Ordnung?« Emily klang besorgt.
»Bestens«, sagte ich. »Nur dass ich meine Augen nicht aufkriege. Es tut zu sehr weh.«
Emily gab mir eine Sonnenbrille und ein paar Schmerztabletten und riet mir, unter die Dusche zu gehen. Leider half das nicht, obwohl die Badematte gut getan hatte, wenigstens solange ich drauf stand.
Beim Anziehen fiel mir die Sonnenbrille auf den Boden, doch als ich mich bückte, um sie aufzuheben, flogen schwarze Punkte vor meinen Augen herum, also ließ ich die Brille liegen. Dann schleppte ich mich ins Wohnzimmer, und das Pitsch-Pitsch meiner nackten Füße auf dem Holzboden war schon zu laut.
Ich erwartete, Kissen oder eine Decke – Zeichen, dass Lara hier geschlafen hatte – auf der Couch vorzufinden, aber dann sah ich Laras Sachen auf dem Fußboden in Emilys Zimmer liegen. Sie musste bei Emily geschlafen haben.
Nicht mit ihr, nur bei ihr. Ach, ist ja auch egal …
Während ich geduscht hatte, war Troy eingetroffen. Ich blinzelte ihn aus meinen halb geschlossenen, schmerzenden Augen an. Immer noch seltsam schön, so wie ein Granitblock schön ist.
»Hey, Maggie«, sagte er und nickte.
»Hallo«, sagte ich. Mein Zustand ließ es nicht zu, dass ich das mit dem »Hey« machte. Ich musste mich hinlegen. Langsam ließ ich mich auf die Couch nieder und streckte mich auf den Polstern aus, und als ich lag, fühlte es sich an, als würde ich immer weiter, immer tiefer sinken …
Emily und Lara und Troy sprachen über die Präsentation. Aus großer Ferne konnte ich ihre murmelnden Stimmen hören.
Ich stellte fest, dass mein Gesicht weniger weh tat, wenn ich mir mit einer Haarsträhne in Pinselstrichen über die Wange fuhr. Immer wieder strich ich mit der dünnen Strähne von der Nase zum Ohr und zurück.
»Alles in Ordnung, Irin?« Troy hatte sich über mich gebeugt. »Was machst du da mit deinen Haaren?«
Ich fühlte mich so schlecht, dass mir seine Frage nicht peinlich war, und erzählte es ihm. Dann erzählte ich ihm das von der Badematte.
»Ganz offensichtlich brauchst du eine Massage. Um die Druckpunkte zu aktivieren.«
»Machst du das?«
»Nein«, sagte er leise lachend, »das macht der Meister selbst. Wart’s ab.«
Kurz darauf ging die Haustür auf und das helle, blinkende Morgenlicht strömte herein.
»Zumachen, bitte«, sagte ich matt.
Es war Justin, der über das ganze Gesicht strahlte und ein gelb-rotes Hawaii-Hemd trug. Ich dachte wirklich, ich müsste mich übergeben.
Ein Klicken und Rutschen verriet mir, dass noch jemand gekommen war. Ein kleiner weißer Scotchterrier, der hinter den Staubkörnchen herjagte und insgesamt sehr süß aussah. Desiree, nahm ich an.
»Im richtigen Moment, mein Junge«, sagte Troy zu Justin, »die Lady hier braucht Hilfe.«
»Aha?«, sagte Justin mit seiner hohen Stimme. »Was fehlt ihr denn?« Er kniete sich neben die Couch und nahm mit theatralischer Geste meine Hand, um den Puls zu messen.
»Kater«, sagte ich und machte die Augen beim Anblick seines grell leuchtenden Hemdes schnell wieder zu.
»Meine Schuld«, sagte Emily zerknirscht.
Justin verschränkte die Finger ineinander und dehnte seine Hände vor und zurück, als wollte er zur Sache gehen.
»Gut, wo tut es weh?«
»Überall.«
»Überall, gut dann werden wir uns überall mal vornehmen.« Ich hatte befürchtet, ich müsste etwas ausziehen, aber es stellte sich heraus, dass er nur an meinen Füßen interessiert war: Fußreflexzonenmassage. Ich bin keineswegs stolz auf meine Füße. Jedesmal wenn ich eine Fußreflexzonenmassage bekommen habe, wurde die wohltuende Wirkung durch das mir peinliche Wissen geschmälert, dass ich Hornhaut habe und dass der zweite Zeh bei mir länger ist als der erste. Doch das Gute an diesem Zustand, in dem ich am liebsten sterben wollte, war, dass mir meine Füße gleichgültig
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