Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
konnte ich mir den Kopf kahl scheren lassen.
»Aber nicht zu kurz.«
»Ihr Gesicht verträgt es.«
»Aber meine Haare nicht. Wenn sie kürzer als sieben Zentimeter sind, ringeln sie sich um meinen Kopf, und ich sehe aus wie ein Blumenkohl.«
Im Laufe der Jahre hatte es viele Haarschnitte gegeben – den Stoppelschnitt, den Pagenkopf, die Afghanenmähne, den Rachel-Look – und auf keinen Fall wollte ich als »irische Mammy« mit Ringellocken enden.
»Ich habe Sie verstanden«, sagte Dino, machte Schnipp-Schnapp mit der Riesenschere durch die Luft und schlich um mich herum.
»Es muss erst gewaschen werden«, murmelte Lara.
»Ich weiß.«
Als dunkle Klumpen von nassem Haar auf die weißen Kacheln fielen, wurde es mir buchstäblich leichter. Es war ein seltsames Gefühl: Seit mindestens zehn Jahren hatte ich immer nur die Spitzen schneiden lassen, aber die Haarlänge war gleich geblieben.
Zwischendurch, wenn mir zu Bewusstsein kam, wie sehr sich mein Leben verändert hatte, lief eine Welle der Angst durch mich hindurch. Garv würde mich umbringen. Dann fiel mir ein, das er es nicht tun würde. Nicht tun konnte.
»Wie war deine Verabredung mit der Tänzerin?«, fragte Dino Lara. »Erzähl mir alles.«
Während mein altes Ich zu Boden fiel, unterhielten sich die beiden angeregt. Dann wurde mein Haar, mit dem Kopf nach unten, geföhnt, und endlich durfte ich in den Spiegel gucken, wo ich eine elegantere, schnittigere Version von mir selbst erblickte. Plötzlich erschien mir mein altes Ich erbärmlich grob und aus der Mode gekommen – und in der Versenkung verschwunden.
Dann kamen mir die Worte wieder. »Ich sehe anders aus. Jünger.«
»Der richtige Schnitt ist so gut wie ein Lifting«, sagte Dino.
Und fast genau so teuer. Der Friseurbesuch kostete unglaubliche einhundertzwanzig Dollar! Dazu zwanzig Dollar Trinkgeld! Für das gleiche Geld hätte ich in Irland viermal zum Friseur gehen können, und dann hätte ich immer noch genug übrig gehabt, um mir eine Tüte Malzbonbons für die Fahrt nach Hause zu kaufen. Aber so funktioniert das hier nun mal …
Wir waren schon an der Tür, da sagte Dino: »Wissen Sie was? Sie haben gute Augenbrauen, aber sie könnten es vertragen, mal in Form gebracht zu werden. – Weißt du, woran ich denke?« , fragte er Lara.
»Anoushka!«, sagten sie wie aus einem Munde.
»Wer?«
»Die Augenbrauen-Spezialistin der Stars.«
In mir mittlerweile vertrauter Manier zückte Lara ihren Palm-Pilot und ihr Mobiltelefon. »Madame Anoushka? Meine Freundin steckt in einer Augenbrauen-Krise.«
Lara warf einen Blick auf meine Augenbrauen. »Dies hier ist ein Notfall, Madame Anoushka.«
Irgendwie brachte ich nicht die Energie auf, beleidigt zu sein. Lara schritt nervös auf und ab, dann sagte sie: »Samstag um halb sechs?« Sie sah mich fragend an.
»Geht in Ordnung«, sagte ich. Warum auch nicht?
Unser nächster Halt war Laras Wohnung in Venice, wo wir mir etwas zum Anziehen für die Präsentation aussuchten. Venice gefiel mir. Die Holzhäuser mit der abblätternden Farbe, die kleinen, verborgenen Straßen, die plötzlich von der Durchgangsstraße abzweigten, und die staubigen Bäume, die sich tief über die Vorgärten beugten und das Licht geheimnisvoll machten, als wäre es unter Wasser, verströmten einen kargen Charme.
Laras Wohnung nahm den ganzen ersten Stock eines großen Holzhauses ein. Von ihren Fenstern konnte man das Rauschen des Meeres hören.
»Mein Kleiderschrank ist dahinten.« Sie schritt mir voran in ihr Schlafzimmer. Ich warf einen Blick auf ihr Bett, und plötzlich schossen mir die Titel von Pornofilmen durch den Kopf: Hot Lesbian Love Action , und so. Es kam ganz automatisch. Und ich behaupte, jeder anderen wäre es genauso gegangen.
Lara hatte davon nichts bemerkt und nahm ihre Kollektion, darunter nicht eine einzige Jeans, aus dem Schrank.
»Hier ist ein Hosenanzug. Oder wie wär’s mit dem Rock hier mit passender Jacke? Dazu gibt es noch eine Bluse. Probier das mal«, forderte sie mich auf. »Und das hier auch, zieh das mal an.« Und als ich endlich so weit war, dass ich die Sachen anprobieren wollte, verließ sie das Zimmer, damit ich mich umziehen konnte.
Am Schluss brachte Lara mich mit einem Arm voller Anziehsachen für offizielle Anlässe nach Santa Monica zurück. Es wurde schon dunkel, die Dämmerung senkte sich auf die Stadt. Wir fuhren durch eine von Palmen gesäumte Straße, die sich schwarz vor dem fahler werdenden Himmel abhoben, und
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