Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
mir zu ihrem Friseur, erinnerst du dich?«
»Wirklich?« Emily sah verwirrt aus. »Wann habt ihr das denn beschlossen?«
Ich dachte nach. Es war an einem Morgen gewesen. An einem sonnigen Morgen. Aber das brachte mich nicht weiter, hier war jeder Morgen sonnig.
Um sechs Uhr fuhr Lara mich in ihrem silberfarbenen Pick-up zu Dino, ihrem Friseur. »Mal sehen, Süße, ob wir dich nicht noch hübscher machen können, als du ohnehin schon bist!«
Als wir den Santa Monica Boulevard entlangbrausten, fragte ich Lara – sehr gewagt von mir, fand ich: »Wie ist es denn bei deiner Verabredung gestern gelaufen?«
»Gut«, erwiderte sie fröhlich. »Es ist noch zu früh, um etwas Bestimmtes zu sagen, aber sie ist sehr lustig, und wir haben uns prächtig amüsiert. Sie hat versprochen, sie ruft mich an. Und ich hoffe schwer, dass sie es tut!«
Sie parkte den Pick-up in einer Lücke, die groß genug für drei normale Autos war, und führte mich in einen weißen Salon mit griechischen Dekorationen: überall Urnen und Efeu und Säulen.
»Dino!«, rief sie.
Dino war ein massiger, muskelbepackter Mann mit buschigen Koteletten und eng sitzenden, bunten Hosen. Muskeln wie Seile bewegten sich unter seiner Haut.
»Die schöne Miss Lara!«
Lara schob mich nach vorn. »Das ist Maggie. Hat sie nicht ein wunderbares Gesicht?«
»Jaha«, sagte Dino gedehnt. Interessiert fuhr er mit der Hand in einigem Abstand an meinem Gesicht entlang, womit er zeigte, dass er Potenzial in mir sah. In mir regte sich Hoffnung. Er würde das Beste aus mir machen.
»He, ich muss dir noch meine Neuigkeiten erzählen«, sagte er zu Lara und legte so viel dramatischen Ausdruck in seine Stimme, dass ich dachte, er hätte wenigstens den Hauptpreis in der staatlichen Lotterie gewonnen.
Es stellte sich heraus, dass er sich einen Zungenschaber gekauft hatte. »Ich weiß wirklich nicht, wie ich bisher ohne einen ausgekommen bin. Mein Atem ist so FRISCH wie nie.« Zum Beweis hauchte er Lara mit einem breiten »Haaah!« an.
»Frisch«, sagte sie ernst.
»Du musst dir auch einen zulegen, er verändert dein Leben«, versprach er ihr, dann wandte er sich mir zu. »Setzen Sie sich, hier, in meinen speziellen Stuhl. Da ist das Licht besser.« Dino führte mich zu dem Platz. Dann wühlte er, die Stirn vor Konzentration gerunzelt, in meinem Haar, hob die Haarenden auf Kinnhöhe, verlegte den Scheitel in die Mitte, strich mir den Pony aus der Stirn …
Lara stand neben mir und beobachtete die Veränderungen im Spiegel.
»Sie hat ein total gutes Kinn«, bemerkte Dino mit professionell klingender Sachlichkeit.
»Total gut geschnitten.«
Dabei stimmte das gar nicht. Ich habe ein sehr durchschnittliches Kinn, das weiß ich einfach.
»Guck dir diese Augen an«, befahl Dino.
Ich guckte. Es waren einfach meine Augen, nichts Besonderes dran. Aber sie hatten eine besondere Farbe. Das wenigstens hatte Lara gesagt. So wie die beiden mich mit Komplimenten überhäuften, konnte man denken, ich wäre eine Schönheit.
»Ich glaube, wir machen es ziemlich kurz«, sagte Dino. »Ihre Kopfform kann das vertragen.« Ich wollte schon zum Widerspruch
ansetzen, dann ging mir auf, dass das nicht nötig war.
Es hatte mit Garv zu tun.
Entgegen der verbreiteten Meinung war er ziemlich unkompliziert. Wenigstens, was die meisten Dinge anging. Aber es gab ein paar Sachen, da ließ er einfach nicht mit sich reden.
1. Heizdecken waren für ihn indiskutabel – lieber würde er den Kältetod sterben. Er behauptete, wenn man zu lange in einem von einer Heizdecke gewärmten Bett lag, würde man »wie eine Scheibe Toast aus dem Bett hüpfen«.
2. Er mochte es überhaupt nicht, wenn ich mir die Haare schneiden ließ. Ein Besuch beim Friseur war eine Nervensache, denn selbst wenn ich mir die Haare nur waschen und föhnen ließ, prüfte er sie bei meiner Rückkehr ganz genau und behauptete, ich hätte sie um zehn Zentimeter kürzen lassen. Und wenn ich mir die Spitzen schneiden lassen wollte, war das ein richtiger Albtraum; da konnte ich ihm noch so oft erklären, was für eine schlimme Sache Spliss sei. Aber obwohl es mich ärgerte, dass er in Bezug auf meine Haare so unerbittlich war, gab ich ihm nach, denn als ich nicht mehr die Zeit fand, ins Fitnessstudio zu gehen, beklagte er sich nie, dass meine Muskeln schlaffer würden.
Doch als Dino mit seinen Händen meine Haare in eine neue Form brachte, wurde mir plötzlich bewusst, dass ich machen konnte, was ich wollte. Wenn ich wollte,
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