Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
»Entschuldige, Schatz. Ich hätte sie nicht einfach mitbringen sollen. Ich gebe sie morgen zurück.«
Da kam ich mir sehr schäbig vor. Garv war ein großer Tierliebhaber. Er war zärtlich und liebevoll, und dass er sie zurückzubringen würde, sagte er nicht, damit ich meine Einwilligung gab, sondern weil er ehrlich zerknirscht war.
»Moment«, sagte ich, »lass uns nichts übereilen.«
Und damit begann das Jahr des Kaninchens.
Das schwarz-weiße war ein Junge und das rein weiße ein Mädchen.
»Wie sollen wir sie nennen?«, fragte Garv und setzte sich beide auf den Schoß.
»Ich weiß nicht.« Ärger und Unbill? »Vielleicht Hoppy? Was machen Kaninchen sonst noch?«
»Sie essen Mohrrüben, sie jagen sich gegenseitig im Kreis herum.«
Wir beschlossen, das Mädchen Hoppy und den Jungen Rider zu nennen.
Mir wäre es lieber gewesen, wir hätten nicht zwei gehabt (am liebsten hätte ich gar keins gehabt, um ehrlich zu sein), aber Garv war der Ansicht, es wäre zu grausam, nur eins zu haben, weil es dann einsam wäre. Und weil ich nicht wollte, dass sie sich wie … na ja, eben wie Kaninchen vermehrten, bestand ich darauf, dass sie sterilisiert würden. Das war der erste von vielen Besuchen beim Tierarzt.
Das Wichtigste jedoch war, dass wir ihnen einen Stall kaufen mussten.
»Können sie nicht im Garten leben?«, fragte ich. Anscheinend nicht. Sie würden sich unter der Gartenmauer hindurch zum Grundstück des Nachbarn einen Tunnel graben und in die große weite Welt hinauswandern. Also kauften wir einen Stall, den größten, den sie in der Tierhandlung hatten.
Nach der Arbeit ließ Garv sie meistens im Garten frei herumlaufen, um ihnen ein Gefühl von der Wildnis zu geben. Sie wieder einzufangen war allerdings fast so schwierig, wie wenn man versucht, Zahnpasta wieder in die Tube zu drücken. Es war unmöglich. Ich erinnere mich, dass ich in der Küche am Fenster stand und zusah, wie Garv in seinem dunkelgrauen Büroanzug kreuz und quer durch den Garten jagte. Jedesmal, wenn er sie beinah zu fassen bekommen hatte, sprangen sie ihm wieder aus dem Arm, und die Jagd begann von Neuem. Es war zum Schießen komisch. In Grenzen.
Man darf das nicht falsch verstehen, die Kaninchen waren auf ihre Weise süß. Zum Beispiel, wenn ich von der Arbeit kam und sie mir entgegenhoppelten. Und wenn Garv sie auf dem Arm hielt und sie den Kopf auf seine Schulter legten, wie ein Baby, das sein Bäuerchen machen soll, bog ich mich vor Lachen. Besonders, wenn er Hoppy so trug. Sie riss dann die Augen weit auf, und das sah sehr witzig aus. Wir versahen sie mit Persönlichkeiten, ähnlich wie wir es zuvor mit meinen Hausschuhen getan hatten: Hoppy flirtete für ihr Leben gern, und Rider war ein großer Charmeur und liebte es, die Damen zu umgarnen.
Aber einmal, als sie frei im Garten liefen, knabberten sie meine Lupinen an, die Lupinen, die ich mit meinen eigenen Händen – mehr oder weniger – gepflanzt hatte, und ich fürchte, das nahm mich wider sie ein. Außerdem ärgerte es mich, dass ich für sie einkaufen musste. Wenn wir es nicht geschafft hatten, für unser Abendessen im Supermarkt etwas zu kaufen, konnten wir uns immer noch einen Curry vom Inder kommen lassen. Aber für die Kaninchen konnten wir wohl kaum eine Portion frittierter Zwiebeln bestellten. Stattdessen mussten wir regelmäßig zum Supermarkt gehen, um Möhren und Petersilie und die komischen Kügelchen für sie zu kaufen.
Eines Tages kam Garv nach Hause und schwenkte eine Tüte. »Ein Geschenk«, rief er mir zu.
Ich schnappte mir die Tüte, riss sie auf … und guckte verblüfft hinein.
»Ein Stück Holz«, sagte ich.
»Ein Beißring«, sagte er, als sei das eine gute Erklärung.
»Ein Beißring«, wiederholte ich.
Er begriff mein Missverständnis, bevor ich es tat, und fing schallend an zu lachen. »Nicht für dich. Für Rider!«
Es folgten weitere Geschenke: ein Ball, ein Spiegel, eine himmelblaue Schnallentasche (für mich, damit ich mich nicht übergangen fühlte). Und als ich eines Tages nach Hause kam, da war mitten im Garten ein großes Loch gegraben.
»Was machst du da? Hast du jemanden umgebracht?«
Die Wahrheit war kaum angenehmer: Garv buddelte einen Auslauf für die Kaninchen, weil er es grausam fand, sie immer im Käfig zu halten.
In gewisser Weise war es eine Erleichterung, dass Garv das Loch im Garten gegraben hatte, denn so entfiel das Problem des Rasenmähens. Andererseits war ich der Ansicht, dass Garv den beiden Tieren zu viel
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