Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
Abbiegerspur und verschwanden aus dem Blickfeld. Ständige Bewegung, in ständiger Anmut. Ich fand das schön.
Was war los mit mir? Ich fand den Verkehr schön? Ich fand Männer mit großen Nasen und Gesichtern wie aus Granit gehauen schön?
All das verwirrte mich. Es war sehr, sehr lange her, seit ich einen anderen Mann außer Garv attraktiv gefunden hatte. Und ich war ziemlich bestürzt über meine Wahl.
15
E ine kleine Krise war eingetreten. David Crowe konnte bei Emilys Präsentation nicht dabei sein.
»Etwas ist dazwischengekommen«, sagte Emily bitter. »Er meint, jemand . Jemand, der wichtiger ist als ich.«
Aber die Leute bei Mort Russell wollten an dem Termin festhalten.
»Deswegen hat David gesagt, ich soll meine Assistentin mitbringen.«
»Welche Assistentin?«
»Dich!«
»Mich?«
»In dieser Stadt bekommst du nichts umsonst«, sagte Emily traurig. »Für den Cesar-Salad im Club House wirst du bis ans Ende deiner Tage hier bezahlen.«
»Aber Emily, ich werde dir nicht helfen können, ich habe keine Ahnung, wie solche Präsentationen ablaufen.«
»Das ist auch nicht nötig. Du musst einfach nur anwesend sein und bei den komischen Stellen lachen. Vielleicht kannst du ein Klemmbrett mitnehmen.«
»Aber … aber was soll ich denn anziehen? Ich habe nichts dabei für solche Anlässe. Ich muss mir etwas kaufen.«
»Third Street Boulevard ist nur fünf Minuten mit dem Auto von hier. Fahr sofort los!«
Gehorsam machte ich mich auf den Weg – als wäre Einkaufen eine unangenehme Pflicht – und verbrachte ein paar
Stunden damit, durch normale Geschäfte zu gehen, wo die Verkäuferinnen mich freundlich begrüßten, ganz anders als die hochnäsigen Gänse am Rodeo Drive. Es ist jedoch ein weithin bekanntes Gesetz, dass es aussichtslos ist, etwas zu finden, wenn man genaue Vorstellungen von dem hat, was man will. Es gab nur wenige Kostüme, und in denen sah ich aus wie eine Gefängniswärterin. Nur halb überzeugt entschied ich mich für ein paar Restposten: einen bestickten Jeansrock und ein weißes ärmelloses Oberteil.
Dann entdeckte ich Bloomingdale’s. Ich weiß, es ist bürgerlich-dekadent, aber ich liebe Kaufhäuser – sie sind viel, viel besser als die aufgemotzten kleinen Boutiquen, bei denen man klingeln muss, um eingelassen zu werden. Und in denen nur elf Teile hängen, die man in 2,7 Sekunden als untauglich erkennt, doch dann muss man eine Viertelstunde damit verbringen, »Mmhh, sehr hübsch« zu murmeln, damit die Verkäuferin einen nicht für unhöflich hält, während sie einem immer auf den Fersen bleibt und erklärt, dass die Seide in Nepal handgesponnen ist und die Stoffe mit Pflanzenfarben kalt gefärbt sind.
An Kaufhäusern mag ich besonders, dass man sich darin unbehelligt bewegen kann. Abgesehen davon, dass hin und wieder eine Frau hinter einem der Verkaufstische hervorspringt und einen mit Parfum besprüht, wird man nicht belästigt. Und irgendetwas muss da dran sein, denn nach nur wenigen Sekunden holte ich meine Brieftasche hervor und ließ mir noch einen Restposten einpacken: ein Gesichtsgel, das ein strahlendes Aussehen verhieß. Darauf folgte ein winziger Augenblick, in dem mein Verstand aussetzte und ich beinahe für Garv etwas von Clinique for Men gekauft hätte – fast wäre ich von dem Gratis-Pröbchen verführt worden –, aber mir fiel gerade noch rechtzeitig ein, dass ich ihn hasste.
Das Endergebnis war jedoch, dass ich auch hier bei den Kostümen nicht das Richtige fand. Das Hochgefühl, das mir meine anderen Einkäufe verschafften, hielt ungefähr vierzig Sekunden an, und als ich nach Hause kam, drückten mich Schuldgefühle – ich sollte kein Geld ausgeben, solange ich keine Stelle hatte – und die Angst, denn Emily war zur Zeit ein
bisschen reizbar. Vorsichtig brachte ich ihr bei, dass ich nichts gefunden hatte, und sie reagierte mit einem Schnaufen, das wie eine Aufwärmübung für einen hysterischen Anfall klang, deshalb sagte ich schnell: »Kann ich mir nicht etwas borgen?«
»Von wem denn, zum Kuckuck? Charles Manson? Oder vom Osterhasen?« Sie musterte mich von oben bis unten, dann sagte sie, sichtlich ruhiger: »Mal gucken, du hast ungefähr die gleiche Figur wie Lara. Außer vielleicht der Busen.«
»Hat sie sich wirklich die Brüste vergrößern lassen?«
»Sie war Schauspielerin.« Das klang, als erklärte das alles. »Jedenfalls kannst du sie mal anrufen und fragen, ob du dir was leihen darfst.«
»Wir sehen uns sowieso. Sie geht mit
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