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Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Titel: Auszeit für Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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schließlich mit Unbehagen. »Ich möchte dich um etwas bitten. Lach nicht, aber würdest du zu Mike gehen und ihn fragen, ob er mit seinem Kräuterbündel zu uns kommen könnte?«
    »Ich lache schon deshalb nicht«, sagte ich ernst, »weil ich keine Ahnung habe, wovon du sprichst.«
    »Mike von nebenan – der New-Age-Typ mit dem Bart.«
    »Du meinst den Bill-Bryson-Typ? Was soll er machen?«
    »Er hat mir schon mehrmals angeboten, die negative Atmosphäre in meinem Haus zu vertreiben. Ich habe einfach das Gefühl, dass gute Nachrichten hier eher ankommen können, wenn das Haus eine positive Ausstrahlung hat.«
    Ich lachte auch jetzt nicht. Vielmehr wurde mir das ganze Ausmaß ihrer Angst bewusst. Sie musste fast wahnsinnig vor Angst sein, wenn sie etwas erwog, wofür sie eigentlich nur Verachtung empfand.
    »Machst du es?«
    Natürlich würde ich rübergehen. Solange ich etwas zu tun hatte, war ich mir selbst einen Schritt voraus. Irgendwann würde die Luftblase platzen, und dann würde es mich heftig umwerfen, aber so weit war es noch nicht. Ich ging also nach nebenan und klingelte, aber keiner machte auf. Ich klingelte noch einmal, aber auch diesmal kam niemand. Dann gab ich dem Glockenspiel, das vor der Tür hing, einen kräftigen Stoß, so dass es mächtig zu läuten anfing, aber auch das brachte keine Reaktion. Jeder vernünftige Mensch hätte jetzt aufgegeben, aber ich wusste, dass er da war. Ich konnte ihn nämlich sehen. Durch die große Glasscheibe in der Haustür konnte ich ganz deutlich erkennen, dass er auf einem Sitzkissen auf dem Fußboden saß und mit seinen Daumen und Mittelfingern jeweils ein O formte. Gerade hatte ich beschlossen, aufzugeben und Emily zu sagen, ich würde ihn ein andermal holen, als ich ihn aufstehen und zur Tür kommen sah.
    »Hi«, sagte er, »ich war noch beim Meditieren. Komm rein.«
    Ich war überrascht, dass er sich nicht wortreich entschuldigte, aber vielleicht entschuldigte man sich in spirituellen Kreisen nicht.
    Ich trat in das dämmerige Zimmer, wo mich der süße Geruch von Rosenöl überwältigte – oder war es Lavendel? Im Hintergrund hörte ich das Klimpern von weiteren Glockenspielen. Irgendwo rauschte auch Wasser, was ich in jedem anderen Haus auf einen Rohrbruch zurückgeführt hätte, aber hier eher nicht.
    In den Fenstern hingen Traumfänger, über den Sesseln lagen bestickte Tücher, und an den Wänden waren geschnitzte Holzfiguren, die größtenteils Männer mit hervorquellenden Augen
und überdimensionalen Penissen darstellten. Jeder Gegenstand sah so aus, als hätte er eine spezielle Bedeutung, und an der merkwürdigen Anordnung der Möbel glaubte ich zu erkennen, dass sie streng nach Feng Shui aufgestellt worden waren.
    »Hallo, Bill«, sagte ich.
    »Mike«, verbesserte er mich mit einem sanftmütigen Lächeln.
    So was Blödes! »Oh, Entschuldigung, Mike. Emily hat mich geschickt.«
    »Soll ich die schlechte Atmosphäre in ihrem Haus vertreiben?« Es klang, als hätte er das schon erwartet. »Ich hole nur schnell mein Kräuterbündel.«
    Das Haus mit allem darin – die Gerüche, die Klänge, und sogar die Männer mit den großen Penissen – übte eine unglaublich tröstliche Wirkung auf mich aus, und beim Rausgehen sagte ich ihm das.
    »Es ist ein sicherer Ort«, sagte Mike und schlug die Haustür mit solcher Heftigkeit hinter sich zu, dass das Glockenspiel wild zu schwingen anfing. Es kam auf mich zu und erwischte mein rechtes Auge mit voller Wucht. Ein scharfer Schmerz schoss mir durch das Auge, eine rote Explosion ereignete sich hinter meinen geschlossenen Lidern, und in meinen Ohren erklang eine Kakophonie, als drückte jemand alle Tasten auf einem ungestimmten Klavier.
    »Hoppla. Ich habe sie zu fest zugeschlagen«, sagte Mike und lachte sanft. »Hat’s wehgetan?«
    »Kein bisschen!«, entgegnete ich hastig und fragte mich, ob ich nun erblinden würde. Nach außen hin blieb ich jedoch gelassen – schließlich lässt man sich in der Gegenwart eines Menschen, den man kaum kennt, nicht anmerken, dass man sich verletzt hat. Selbst wenn einem der Kopf fast abfällt, muss man sagen: »Nur ein Kratzer! Außerdem brauche ich ihn sowieso kaum!«
    In dem Fall war es wirklich nichts Schlimmes. Mein Auge tränte ein bisschen, dann hörte es damit auf. Aber ich fühlte mich dem Weinen nah, und vielleicht merkte Mike das, denn er hielt mich auf dem kurzen Weg zwischen den beiden Häusern am Arm.
    Emily machte uns auf, und einerseits verlegen, andererseits

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