Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
ich nichts weiter getan, als auf meinen Haaren zu schlafen, und schon hatte ich jegliche Kontrolle über sie verloren.
Ich brauchte Wasser, Haargel und einen Föhn, bis ich sie einigermaßen im Griff hatte. Emily war lieber gleich zum Friseur gegangen. Sie kam kurz zurück, lief im Haus umher und murmelte: »… die Kamera streift über ein Paar Brüste in einem T-Shirt …«, und ging dann wieder.
Während sie fort war, rief das süße, piepsige Mädchen aus Mort Russells Büro wieder an.
»Leider ist sie im Moment nicht an ihrem Platz.« Sie war bei ihrem Reiki-Lehrer – und ich wusste jetzt sogar, was das war. »Kann ich Ihnen helfen?«
Diesmal wollte sie aus Sicherheitsgründen unsere DNA wissen. Also, beinahe wenigstens. Ich sollte ihr Kopien unserer Führerscheine faxen, weil sie unsere Fotos brauchte.
»Es tut mir Leid, dass ich Sie darum bitten muss«, sagte sie, »aber Sicherheit ist eine Priorität bei uns.«
Das konnte ich mir gut vorstellen. Die Möglichkeit, dass ein durchgeknallter Drehbuchschreiber, der verzweifelt auf einen Termin wartete, einbrach, den Studio-Chef als Geisel nahm
und ihn zwang, sich seine Präsentation anzuhören, bestand tatsächlich.
»Bis heute nachmittag, halb vier«, sagte sie.
Sie war bei allen Gesprächen so freundlich gewesen, dass ich sie jetzt nach ihrem Namen fragte.
»Floh«, sagte sie.
Sofort merkte ich meinen Fehler. Ich war zu freundlich gewesen. Ich hatte die berufsethischen Grenzen überschritten. Empfindlich getroffen legte ich auf. Floh, also wirklich! Dass sie sich so lustig machte über eine arme irische Touristin, die frisch im Land war! Und wie lautet dein Nachname, meine Hübsche? Biss? Zirkus?
»Die Kamera streicht über ein Paar Brüste«, hörte ich. Emily war zurück.
»Meine Chakras waren in einem schlimmen Zustand«, sagte sie. »Gut, dass ich gegangen bin.«
Dann stellte sie sich vor den Spiegel und begann gebetsmühlenartig: »Das Universum ist freundlich, sie werden mein Drehbuch annehmen …« Diese affirmative Formel variierte sie mit: »Die perfekte Präsentation ist fünfundzwanzig Wörter lang, die perfekte Präsentation ist …«
»Ich dachte, du glaubst an das Zeug nicht«, warf ich ein. »Bist du nicht gegen diesen ganzen New-Age-Kram?«
»Wenn man verzweifelt ist, versucht man alles.« Ihre Antwort ließ mich verstummen.
Am Ende konnte ich Emily doch überreden, ihre neuen Sachen anzuziehen. Sie bürstete sich zum millionsten Mal die Haare und zog sich zum x-ten Mal die Lippen nach, dann warfen wir die Schultern zurück und machten uns auf den Weg. Gerade rechtzeitig, denn der Rasensprenger sprang an und zielte mit seiner Fontäne auf Emily. Als sich ihr Haar aufzuplustern begann, hatte sie fast einen hysterischen Anfall.
»Das ist eine Katastrophe«, kreischte sie. »Ich muss den Termin absagen!«
»Schnell, wir föhnen es trocken«, schlug ich vor.
»Dazu haben wir keine Zeit«, jammerte sie. »Ich muss es einfach kämmen. Aber ich muss ja fahren!«
»Dann nehmen wir mein Auto.«
»Wir können dein klappriges Mietauto nicht nehmen, was sollen sie denn von uns denken?«
»Stimmt, wir können mein klappriges Mietauto schon deswegen nicht nehmen, weil wir einen Parkplatz für deine Nummer reserviert bekommen haben«, fiel mir ein.
»Ich fahre, du kämmst«, beschied Emily.
Wir rasten durch L.A., Emily murmelte vor sich hin, ihr Gesicht wie aus Stein, ich kämmte unablässig und versuchte, die verdutzten Blicke, mit denen wir aus anderen Autos gemustert wurden, nicht zu beachten.
Wie die meisten anderen Filmstudios war auch dieses im so genannten Valley. Soweit ich verstanden hatte, würden die meisten Menschen lieber in einem Pappkarton in Santa Monica wohnen als in einer Prachtvilla mit fünf Badezimmern im Valley. Anscheinend war es noch peinlicher als Liebfrauenmilch, Andrew Lloyd Webber und Punker-Frisuren zusammen, und die schlimmste Beleidigung für eine Frau war es, wenn man sie ein »Valley Girl« nannte.
Nachdem wir ungefähr eine Dreiviertelstunde unterwegs gewesen waren, unterbrach Emily ihr affirmatives Gemurmel und sagte: »Wir sind im Valley.«
Nach all dem Gerede sah es, ehrlich gesagt, nicht besonders auffällig aus. Auf der Straße war niemand zu sehen, der Liebfrauenmilch trank, zu der Musik aus Das Phantom der Oper tanzte und seine Haare zu einem Hahnenkamm stylte, wie ich es mir vorgestellt hatte.
»Gleich sind wir da«, sagte Emily und seufzte aus der Tiefe ihres Diaphragmas. In dem
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