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Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Titel: Auszeit für Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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erregt.
    An der Tür war ein Geräusch, und ich hob in wilder Erwartung den Blick. Konnte es sein, dass ich Troy herbeigezaubert hatte? Troy mit einer Pistole in der Hosentasche?
    Nicht ganz. Es war Lara. »Bist du so weit?« Sie strahlte. »Für Madame Anoushka?«
    Ich erstarrte. »Meine Güte, das hatte ich komplett vergessen!« Madame Anoushka, die mich von meinen schrecklichen Augenbrauen erlösen würde. Ich hatte um halb sechs einen Termin bei ihr.
    »In zehn Minuten bin ich fertig«, sagte ich und stürzte mich unter die Dusche, um den Sand vom Tag abzuspülen. Drei Minuten später rieb ich mich mit einem Handtuch trocken, und während ich nach Sachen zum Anziehen suchte, kam Lara dazu, um sich mit mir zu unterhalten. Ich nahm einen BH und fragte mich einen panikerfüllten Moment lang, wie ich ihn anziehen könnte, ohne das Lara meine Brüste sah, doch die Zeit drängte so sehr, dass ich nicht lange überlegen konnte. Sollte sie mich doch sehen. Schließlich hatte sie dergleichen schon vorher gesehen. Hatte ich mich nicht immer aufgeregt über homophobe Männer, die so taten, als wollte jeder Schwule sie anmachen? Und verhielt ich mich jetzt nicht ganz genauso?
    Jedenfalls kam es mir überhaupt nicht in den Sinn, dass sie mich anmachen könnte. Ich hätte nur gern gewusst, wie ich im Vergleich stand und ob ihr meine Brüste gefielen.
    In weniger als neun Minuten war ich fertig – »Ich bin beeindruckt«, sagte Lara –, und schon saßen wir in ihrem silberfarbenen Wagen und waren auf dem Weg nach Beverly Hills. Klar, ich verbrachte sowieso die meiste Zeit dort! Auf der Fahrt fragte sie mich nach Cameron Myers, Geburtstagsparty, und ich erzählte ihr von der Wohnung, von dem Blick und dem Kaminfeuer, aber sie fragte nicht, ob sich zwischen mir und Troy
etwas abgespielt hatte, und ich wusste nicht, wie ich das Gespräch auf das Thema lenken sollte.
     
    Madame Anoushka war eine eisige Weißrussin, die von dem schlecht gezupften Zustand meiner Augenbrauen schockiert war. »Schlecht«, erklärte sie. »Sehr schlecht.«
    So schlecht, dass sie sich einen Moment lang hinsetzen und aus tiefstem Herzen seufzen musste. Dann erhob sie sich und stellte sich der Herausforderung. »Wir müssen sehen, was wir tun können«, sagte sie und bestrich mein Oberlid mit geschmolzenem Wachs. Ihr Akzent erinnerte mich an irgendjemanden und machte mich aus unerfindlichem Grund nostalgisch. Dann fiel es mir ein: Valya und Vladimir. Garv und seine Einkaufslisten. Es war, als wäre die Tür zu einem zugigen Zimmer in mir aufgegangen, doch dann riss Anoushka gnädigerweise den Wachsstreifen von meinem Lid, und der Schmerz blendete alle Erinnerungen aus.
    Der Vorgang war schmerzhaft und unangenehm. Während Anoushka zupfte, hatte ich ein Gefühl, als würden tausend Pfeile auf mich abgeschossen; aus meinen Augen flossen die Tränen, und es fühlte sich an, als müsste ich gleich niesen. Die ganze Zeit über erteilte sie Befehle mit ihrem Valya-Akzent.
    »Pinzette«, forderte sie, wie ein Chirurg im OP. »Mehr Wachs.«
    Ich widerstand dem Wunsch zu fragen, ob sie viele, viele Liebhaber gehabt hatte in ihrem Läbbn, doch ich hatte keinen Zweifel, dass es so war – sie war eine prächtige Frau.
    Nach einer Ewigkeit, oder so fühlte es sich wenigstens an, machte sie sich mit der Pinzette über mein anderes Auge her, und das tat womöglich noch mehr weh. Ich betete inständig, es möge bald vorbei sein.
    Schließlich war alles still – so wie es still ist, wenn der ganze Mais im Topf gepoppt ist – und ich machte die Augen auf und wollte aufstehen. Doch mit barscher Stimme wies Anoushka mich zurecht: »Nein!«
    Also legte ich mich gehorsam wieder hin und schloss die Augen. Als nichts passierte, öffnete ich vorsichtig ein Auge und sah, wie Anoushka mich konzentriert betrachtete.
    »Das Schwierigste ist zu wissen, wann man aufhören soll«, stellte Lara bewundernd fest. »Das sagen alle großen Künstler.«
    In den nächsten zehn Minuten wurde ein einziges Haar von meiner rechten Augenbraue ausgezupft, und keins von meiner linken. Alsdann befand Anoushka, ihre Arbeit sei beendet. Ich setzte mich und guckte in den Spiegel; meine Nase war rot, meine Augen tränten, als hätte ich eine Woche lang geweint. Ich erinnerte mich an jemanden, an wen nur? Ach ja, an mich selbst, letzten Februar. Aber meine Augenbrauen waren sehr hübsch geworden, daran bestand kein Zweifel.
    »Besser als ein Lifting«, sagte Anoushka. Wo hatte ich das nur schon

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