Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
Santa Monica sprachen wir beide nicht. Ich hatte meine Augen geschlossen und aalte mich in einem unendlichen Wohlgefühl. Dann hörte ich Troys Stimme: »Wach auf, Irin, wir sind da.«
Ich machte die Augen auf. Wir standen vor Emilys Haus, und die Lebensrhythmus-Trommler strömten aus dem Haus von Mike und Charmaine und stiegen in ihre Mercedes- und Lexus-Limousinen.
Ich raffte mich auf. »Danke fürs Bringen und für die Party und, du weißt schon …, alles.«
»Ganz meinerseits.« Er fuhr mit der Hand unter mein Haar, strich mir sanft über den Nacken und hauchte einen Kuss auf meine Lippen.
»Ruf mich an«, rief ich und hüpfte aus dem Jeep.
»Klar.« Er grinste. »Ich schreibe dir jeden Tag.«
24
D as sonnendurchflutete Haus war unerwartet still, Emily war noch nicht zu Hause. Anscheinend war ihre Verabredung auch glücklich verlaufen. Diesmal machte es mir nichts aus, dass ich allein war, es machte mir überhaupt nichts aus. Ich fühlte mich so wohl – meine Hand- und Fußgelenke waren wund gescheuert, in meinen Oberschenkeln hatte ich Muskelkater, doch nie hatte ich mich lebendiger gefühlt. Ich duschte, untersuchte bewundernd den Bissabdruck auf meinem Bauch und fuhr zum Strand, um mich in die Sonne zu legen. Das Bild, das ich von mir hatte, gefiel mir: ich, eine unabhängige Frau in einem Cabrio, glücklich in ihrer eigenen Gesellschaft.
Ich hatte nur wenige Minuten in der Sonne gelegen, als Rudy mit seinem Eiskasten vorbeikam.
»Wo warst du nur? Ich habe mir schon Sorgen gemacht«, sagte er.
»Hatte viel zu tun«, entgegnete ich. »Gibt’s noch dreifarbige Klondikes?«
Als ich mich und mein Eis in der strahlenden Sonne drapierte, erstand vor mir eine verführerische Vision von einem Neubeginn. Hier gab es alles: wunderbares Wetter, eine fantastische Stadt, freundliche Menschen. Ich könnte mein gescheitertes Leben in Irland hinter mir lassen und ganz von vorn beginnen, und diesmal würde nichts schief gehen. Mit meinen in Chicago erworbenen Erfahrungen würde ich doch
bestimmt eine Stelle finden und eine Green Card bekommen können – in den Studios musste es Tausende von Jobs für Menschen mit juristischen Kenntnissen geben.
Dann erlaubte ich mir eine geheime, aufregende Hoffnung: Vielleicht würde Troy in meinem neuen Leben eine Rolle spielen. Ich schwelgte in der Vorstellung von einem idyllischen Glück, er und ich als Paar, zum Beispiel bei einem Gang über einen Gemüsemarkt – in Filmen schlenderten Paare, die sich gerade gefunden hatten, ausgiebig über Gemüsemärkte, und wenn der Mann sanft und leicht anzüglich über eine Aubergine strich, rief der Händler nicht gleich: »He, nehmen Sie die Finger da weg!« Oder wenn der Mann eine saftige rote Erdbeere nahm und sie der Frau in den Mund steckte, wurde er nicht gleich wegen Diebstahls festgenommen.
So amüsierte ich mich für den größten Teil des Nachmittags und hörte erst damit auf, als ich dringend zur Toilette musste.
Im Haus rannte ich ins Badezimmer. Ich wunderte mich über den stechenden Schmerz, doch dann fiel mir ein, woher er rührte, und gleich fühlte es sich sehr angenehm an. Ja, natürlich …
Emily war immer noch nicht da, aber auf dem Anrufbeantworter war eine Nachricht von ihr. Sie hatte den Tag mit Lou verbracht, und sie würden am Abend wieder zusammen ausgehen, ich sollte also nicht mit ihr rechnen. »Ruf mich auf meinem Mobiltelefon an, wenn irgendwas ist.« Und dann, als wäre es ihr eben erst eingefallen: »Aber vielleicht bist du auch nicht da. Ich versuche dich bei Troy zu erreichen.«
Das war die einzige Nachricht. Oder vielmehr, es war die einzige Nachricht für mich . Für Emily waren zehntausend Nachrichten auf dem Band. Justin und Connie und jemand, der LaMorna hieß, und noch jemand namens Dirk.
Erst dann verstand ich das ganze Ausmaß von Emilys Botschaft: Ich würde den Abend allein verbringen müssen. Nicht so schlimm, ich konnte Claire anrufen – dann fiel mir ein, dass das wegen der Zeitverschiebung nicht ging. Na gut, dann würde ich eben Rachel in New York anrufen, und später würde ich meinen Status als glückliche, unabhängige Frau festigen
und allein ins Kino gehen. Zweifelnd dachte ich: Jaaa, vielleicht mache ich das. Dann ließ ich den Gedanken zu, der schon die ganze Zeit im Hintergrund lauerte: Es sei denn, Troy rief an. Vielleicht bestand die Möglichkeit, den fantastischen Sex von gestern Abend und heute morgen zu wiederholen … Plötzlich war ich unglaublich
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