Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausziehen!

Ausziehen!

Titel: Ausziehen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Greimann
Vom Netzwerk:
wollten partout keine guten Worte einfallen. »Tut mir wirklich leid -«
    »Ja, mir tut’s leid, dass du wegen Mordes verdächtigt wirst!«
    Er war eine kleine Ratte, und eine hinterhältige obendrein.
    »Besorg mir die Informationen«, lenkte ich schließlich ein, »ich werde sehen, was sich machen lässt.«
     
    Manche Therapeuten hatten freitags frei. Offensichtlich gab es also Berufsgenossen, die kein Abwassersystem hatten, das aus grauer Vorzeit stammte und zwischenzeitlich immer wieder drohte, wie der Vesuv auszubrechen. Ich jedenfalls hatte das Geld dringend nötig und hielt daher freitags immer ein paar zusätzliche Sitzungen. Zudem kam manchen Patienten eine zusätzliche Therapiesitzung vor dem Wochenende oft sehr gelegen - das sie dann entspannt mit ihren Lieben verbrachten, was oft gar nicht so leicht ist.
    Manchmal hatte ich aber tatsächlich Erfolg. Manchmal war meine Tätigkeit wahrhaft sinnvoll. Manchmal wurde das Leben einiger Menschen wirklich besser.
    »Ich habe Kelly gesagt, dass ich nicht mehr mit ihm zusammen sein kann.«
    Später Nachmittag. Ich saß hinter meinem Schreibtisch. Angela Grapier saß auf der Couch und hatte ihre Beine dermaßen unter sich verknotet, dass sie wie ein hilfloser Welpe wirkte. Kelly war ihr aktueller Freund. Durch ihn hatte sie Bekanntschaft mit Ecstasy und ungeschütztem Geschlechtsverkehr geschlossen. Man sollte Kelly mit einem Betäubungsgewehr anschießen und dann in Tansania bei den anderen wilden Tieren wieder aussetzen. Diese Meinung behielt ich jedoch besser für mich.
    »Und? Wie ist es gelaufen?«, fragte ich stattdessen.
    »Oh.« Sie seufzte. Sie war sechzehn, echt süß und dünn wie eine Bohnenstange. Ihr linkes Nasenloch war gepierct, und unter ihrem rechten Ohr hatte sie einige Sternchen-Tattoos. Generell bin ich ja eigentlich dagegen, lebendes Fleisch zu piercen, aber an ihr sah es so gut aus, dass ich immer wieder gegen den Drang ankämpfen musste, zum Locher zu greifen. Natürlich könnte ich jederzeit »Tats’R’Us« anrufen, aber ich war vor einigen Jahren mal in dieser ungewöhnlichen Einrichtung gewesen und hatte eine Erfahrung gemacht, die mir eine wahre Lehre sein sollte: Gehe niemals, unter gar keinen Umständen, zu einem Mann namens Whack, wenn du betrunken und total verknallt bist.
    »Es ist mir echt schwer gefallen, wissen Sie, aber ich wollte auch nicht …« Sie fummelte am Tragriemen ihres Rucksacks herum. Ich ließ sie gewähren. Es war schon schwer genug, sich altersmäßig irgendwo in den Dreißigern zu befinden, aber ein Teenager zu sein bedeutete, die Hölle auf Erden zu erleben. Fragen Sie mich nicht, warum. Vielleicht weil es scheint, dass ihnen alle Möglichkeiten offen stehen, und genau das ist das Problem. Vielleicht war der Homo sapiens einfach dazu bestimmt, gegen Säbelzahntiger zu kämpfen, während er nach Beeren suchte. Wir haben keine Ahnung, wie wir glücklich sein sollten, wenn alles super läuft. »Ally ist wieder aus der Drogenklinik abgehauen.«
    Ally war ihre ältere Schwester. Sie war das schwarze Schaf der Familie. Um sie vom Abgrund wegzuholen, würde man mehr als eine einfache Therapie benötigen. Womöglich würde nicht einmal das direkte Eingreifen Gottes etwas bringen. Was Angela betraf, so bestand jedoch noch Hoffnung. Ihre Mutter war zwar eine Vollidiotin, aber ihr Vater sorgte sich um sie - genug jedenfalls, um sie zu mir zu schicken. Und genug, um ihr zu befehlen, sich von Kelly dem Tier fernzuhalten. Man musste schon verdammt mutig sein, um heutzutage Kinder in die Welt zu setzen. Oder betrunken genug.
    »Ich hatte gedacht, sie würde es dieses Mal schaffen«, sagte Angela und sprach wieder über ihre Schwester. »Ich dachte, Sie wissen schon … sie würde bald wieder okay sein.« Sie starrte auf den Ansel Adams. Tränen standen in ihren Augen. »Aber das wird sie nicht, oder?«
    Verdammt. »Ich weiß es nicht«, erwiderte ich und gab mir alle Mühe, meinen Tonfall neutral zu halten.
    Angela sah mich an. Sie hatte Augen wie ein Beagle-Welpe, groß, braun und sanft. Wenn ich ihr Vater wäre, hätte ich sie längst gepackt und wäre mit ihr in die Antarktis gezogen. Dort hätte ich sie unter dicke Daunendecken aus Gänsefedern gesteckt und sie fett wie einen Walfisch gefüttert.
    »Was ich aber weiß, ist«, fügte ich hinzu, »dass es ganz bei ihr liegt. Genau wie bei dir: Du kannst aus deinem Leben machen, was du willst, du hast die freie Wahl.«
    Sie sah mich an, als würde sie den Wahrheitsgehalt

Weitere Kostenlose Bücher