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Autobiografie eines Lügners

Autobiografie eines Lügners

Titel: Autobiografie eines Lügners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Chapman
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British Rail als Aschenbecher hätte gedient haben können, setzte ich mich, um dem Frühstück die Stirn zu bieten. Aus Cambridge war immer noch keine Benachrichtigung gekommen. Plötzlich kam ein Gebrüll aus der Richtung unserer Haustür, der Haustür eines Hauses, das auf dem nicht übermäßig puspigen Grundstück der Polizeiwache von Melton Mowbray stand. Meine Mutter fegte mit einem weißen Briefumschlag in die Küche, den sie mit der anläßlich des Jahrestags der Thronbesteigung von König Georg V. in einer begrenzten Auflage hergestellten verzinkten Spezialzange zum Halten von Briefumschlägen hielt. Die Backen der großen Zange teilten sich, und der Umschlag ffffte auf den blauen Resopal-Frühstückstisch.
    »Aus Cambridge«, kreischte sie, Nonchalance vortäuschend.
    »Küß mich, Hardy«, sagte ich und erbrach das Siegel meines Geschicks ….
    Ich las den Brief viermal, sah kurz aus dem Fenster und las ihn noch einmal.
    »Was steht drin«, sagte Edith.
    »Hier steht drin … Hier steht drin … Ich glaube, hier steht … « Ich ging vor die Tür, zweimal ums Haus herum und kam zurück, um den Brief noch einmal zu lesen. Er war weg. Nichts lag da, nichts … »Na gut«, dachte ich. »Kann genauso gut auch mein Frühstück aufessen. Du bist wahnsinnig, Chapman, wir haben gar keine verzinkte Briefumschlaghaltespezialzange, woran du gedacht hast, das war der Teebecher aus Anlaß der Abdankung von Eduard VIII., ein Becher, der, wenn wir ihn lang genug behalten, eines Tages sehr wertvoll sein wird ….«
    In der Ferne erklang ein zweimaliges Matriarchinnengebrüll, vom Kläffen behinderter Corgis begleitet. Aus dem Fenster sah ich das Haus des Stellvertretenden Herrn Polizeichefs (naturgemäß viel großartiger als unseres) und »Shandy«, die sich über den Rasen schleppte –, und obwohl sie im Beinbereich zwei Punkte unter dem Nennwert lag, konnte sich ihr Gekläffe durchaus hören lassen. Und dort vor der Stellvertretenden Polizeioberhäuptlerischen Hintertür waren Und Mrs Chapman und Und Mrs Ashcroft, in vollem Abendkleid erstrahlend und kurz davor, ihre Prozession zu den großen Türen der Revierwache zu beginnen. Ehrfürchtige Stille herrschte in der Menge der Unteroffiziere und Unterehefrauen, als das heiter gelassene Paar sich den entsprechenden Gatten anschloß, die in vollständigen Offizierskasino-Uniformen prunkend auf dem Treppenabsatz vor der Wache standen. Als sie kurz verhielten, um sich der Menge zu zeigen, blitzten Kameras, und das Tägliche Leicestermaul fing den Moment für die Nachwelt ein:

    Herzlich über einen Witz lachend, sehen wir hier (v.l.n.r.) den Stellvertretenden Herrn Polizeichef und Mrs Ashcroft und Chief Inspector und Mrs Chapman. Miss Jane Ashcroft (in unserer letzten Ausgabe als Nummer des Monats vorgestellt) wird voraussichtlich bald ihre Verlobung mit Mr Graham Chapman bekanntgeben. In gewissen Kreisen soll es angesichts dieser Paarung zu einem Heben der Augenbrauen gekommen sein, aber Jane erklärte gestern: »Wir sind sehr verliebt. Die Tatsache, daß Graham von der Universität Cambridge angenommen wurde, hat überhaupt was damit zu tun.«

    Ich rannte los, schnappte mir den Brief, flitzte durch die große Tür, griff mir ein Schlüsselbund, rannte die Treppe hoch und schloß mich im Billardzimmer ein. Der Brief war echt. Ich war vom Emmanuel College angenommen worden. Aber ich entschied mit Darwin und Mendel, daß interpolizeiliche Inzucht evolutionstechnische Torheit wäre. Ich hatte keine Lust, eine Brut vor sich hin kümmernder Schmeißfliegen zu zeugen.
    Innerhalb von vier Stunden hatte ich den Stellvertretenden Herrn Polizeichef auf Knien draußen vor der Tür, der mich anbettelte, das Billardzimmer, das Nervenzentrum der Ordnungsmacht, freizugeben. Er ging auf meine Bedingungen ein, die Hochzeit wurde abgesagt, alle zweihundertsechzehn Exemplare des Täglichen Leicestermauls wurden im Rahmen eines Nacht-und-Nebel-Einsatzes wegen Verdachts auf Pornografie beschlagnahmt und, während sie sich noch der Verhaftung widersetzten, spontan verbrannt.
    Die Ruhe war wiederhergestellt. Jane lebt, wenn sie nicht gestorben ist, noch heute und ist mit einem Mann verheiratet, der aussieht wie Sir Keith Joseph, ich lief weg, versteckte mich den ganzen Sommer lang und hütete in der Bucht von Cayton eine Ziegenherde.
    Ich hatte in allen drei Fächern bestanden und war sehr erfreut über meine 65 % in Physik und erstaunliche 185 % in Chemie. Unglücklicherweise hatte ich

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