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Autobiografie eines Lügners

Autobiografie eines Lügners

Titel: Autobiografie eines Lügners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Chapman
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die Prüfungen an der Universität Oxford abgelegt, die von der Universität Cambridge mit rotznäsiger Verachtung betrachtet wurde. Offenbar verstand in Oxford niemand etwas von Chemie –, die waren alle zu beschäftigt damit, in flaschengrünen Samtanzügen herumzulungern, Lilien in Händen zu halten und Tim Bryden und Denis Keat zu zitieren. Dies bedeutete, daß ich eine separate Prüfung in Organischer Chemie ablegen mußte.
    Und so stand ich in einer riesigen braunen Halle vor einem Experimentiertisch voller Apparaturen, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Es standen etwa vierzig weitere nervöse Kandidaten vor ähnlichen Experimentiertischen und besudelten ihre Klamotten aus Kavallerieköper angesichts der sinnesverwirrenden Aufstellung von Gläsern, die fremdartige Chemikalien enthielten. Vierzig Gehirne verwandelten sich in Trockeneis, als der Aufsichtführende auf sein Podium trat und den Wettkampf eröffnete, indem er sagte: »Meine Herren, Sie dürfen jetzt anfangen.« Zehn Minuten lang versuchte ich auszusehen, als täte ich was, bewegte das eine oder andere Gerät von hier nach da und warf den gelegentlichen, offenbar beiläufigen Blick auf den Prüfungsbogen.
    Nach elf Minuten dieser nutzlosen Aktivität wurde mir klar, daß ich kein einziges Experiment durchführen konnte. Zum ersten Mal erlebte ich die volle Kraft einer Ignoranzattacke –, Ohren voller Watte, Augen, die in ein den Anfänger erbleichen machendes Nichts starrten, Beine, die sich nicht bewegen mochten. Die Zeit schien stillzustehen, obwohl mir ein seltsames Gefühl hinten an den Oberschenkeln sagte, daß dies nicht der Fall war ….

    Zwei Experimentiertische weiter war offenbar jemand explodiert und wurde nun vom Aufsichtführenden und zwei Pflegern mit einem Asbestlaken bedeckt.

    kam es von hinter mir, während ein junger Herr aus Hongkong eilig einen Feuerlöscher suchte. Dann machte es

    als Fragmente eines Liebig-Kondensators durch den Raum flogen wie Schrapnelle. Jetzt wußte ich, warum die Wände hier braun waren ….

    dröhnte der Aufsichtführende. »Alle aufhören! Jawohl, wenn ich noch einen von euch verdammten Idioten dabei erwische, wie er Äther über einer offenen Flamme erhitzt, bringe ich euch um. Ich war nicht in zwei Weltkriegen Waffen- und Munitionsexperte, um mich jetzt von einem Haufen ignoranter blöder Säue abschlachten zu lassen. Wenn ihr keine Ahnung habt, was ihr hier macht, verschwindet.«
    Dies hatte nicht den erwünschten beruhigenden Effekt, aber es holte den Studenten mir gegenüber aus seinem Trance-ähnlichen Zustand, und er begann, Chemikalien in ein Becherglas zu füllen. Er maß zuversichtlich eine blaßblaue Flüssigkeit ab, fügte etwas weißes Pulver hinzu, schenkte 5 Kubikzentimeter einer farblosen Lösung ein, plazierte das Becherglas über einem Bunsenbrenner, und der Inhalt nahm eine recht angenehme Orangefärbung an. Der Mann hatte Ahnung, und ich verfolgte jede seiner Bewegungen. Ich sah mich um, wollte sehen, was die anderen trieben, wollte auf Nummer Sicher gehen. Nach einer ganzen Reihe von Hantierungen hatten wir beide einen gräulichen pulverartigen Rückstand hergestellt. Vom Wortlaut der Frage her hätte der Rückstand weiß sein sollen, aber ich war sehr zufrieden damit, unter den Umständen überhaupt einen Rückstand zu haben. Mein hilfsbereiter Freund kam mit der Unreinheit seines Erzeugnisses nicht klar. Er mußte einfach das Beste haben und griff nach dem Äth–

    Als ich das nächste Mal in Organischer Chemie geprüft wurde, war ich total zuversichtlich. Alle schienen mich zu beobachten. Die braunen Wände und die enorme Aufstellung von Flaschen und Chemikalien machten mir keine Angst mehr, und ich erzielte eine perfekt weiße kristalline Substanz. Derselbe Aufsichtführende war auf seinem Podium anwesend und schien viel ruhiger, weniger imposant als ein Jahr zuvor; er hatte nicht einmal etwas gegen das merkwürdigeIch habe den Verdacht, daß ihn seine Frau nicht mehr betrog oder daß er sich die Hämorrhoiden hatte veröden lassen.
    Es überraschte mich nicht, daß ich bestand. Ich war schließlich in Cambridge. Ich kaufte einen Talar, mehrere Klubschlipse, lief mit Tweed-Anzug und Pfeife herum und versuchte, schlau auszusehen. Die Pfeife war sehr nützlich, denn sie bedeutete, daß ich, wenn jemand etwas sagte, was ich nicht verstand, drauf paffen und unglaublich tief in Gedanken versunken wirken konnte. Der Tweed-Anzug täuschte niemanden, aber die Pfeife

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