Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Autobiografie eines Lügners

Autobiografie eines Lügners

Titel: Autobiografie eines Lügners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Chapman
Vom Netzwerk:
Ruhe, die möglicherweise dem Joint zugeschrieben werden konnte, den ich vorher geraucht hatte, aber inzwischen begannen wir fast ein Arzt-Patient-Verhältnis einzugehen.
    Ich nahm das Ganze auf jeden Fall sehr viel gelassener, als ich es mir unter den Umständen zugetraut hätte. Am Ende eines weiteren ausführlichen Interviews schien selbst Trevor zu denken, daß ich die Wahrheit gesagt hatte. John und der Herr ohne Zunge stießen wieder zu uns, und alle schienen einigermaßen glücklich zu sein. Nochmal Getränke für alle. John spielte gegen den zungenlosen Mittelgewichtler eine lärmende Partie Fußball an einem Kickergerät, das bei uns im Korridor stand. Ich hatte einen besonders lästigen Nachbarn einen Stock tiefer, der mich, weil ich zu Hause arbeitete, den ganzen Tag ärgerte, indem er Mauern einriß, um das Innere seiner Wohnung umzugestalten, und dabei einen Wahnsinnskrach machte. Jedenfalls kam der milde kleine Mann, wie schon so oft, herauf, um sich zu beschweren. Er klingelte, ich öffnete.
    »Entschuldigen Sie, ich hoffe, Ihnen ist klar, daß wir null Uhr dreißig haben und daß es ziemlich laut ist.« Er hatte dies kaum zu Ende gesagt, als der Herr ohne Zunge ihn am Kopf packte und Trevor die Tür zuknallte, dem Nachbarn auf den Hals ….
    Jetzt, da wir alle Freunde waren, fühlte ich mich in ihrer Gesellschaft tapferer, und es gelang mir, Trevor und seinen Freund zu beruhigen. »Alles in Ordnung, er wohnt einen Stock tiefer, er meint es nicht böse, keine Sorge«, sagte ich, brach die Tür auf, damit Mr Black-and-Decker seinen Kopf wieder aus unserer Tür ziehen konnte. Ich ging hinaus und erklärte ihm alles.
    »Mr Black-and-Decker, manchmal habe ich tatsächlich sehr merkwürdige Menschen in meiner Wohnung. Manchmal gehört es zu meiner Arbeit; ich umgebe mich gern mit merkwürdigen Menschen. Diesmal nicht. Dies sind die merkwürdigsten und sicherlich die gefährlichsten Menschen, die mir je begegnet sind. Ich rate Ihnen, hinunterzugehen, Ihre Tür dreifach zu verriegeln und nichts zu sagen.« Er, zittrig, wie er war, bibberte treppab und tat genau, wie ihm geheißen. Ich hielt es nicht für geraten, ihm gegenüber irgendwelche Andeutungen zu machen, die sich mit einem Anruf bei der Polizei befaßten. Ich hatte nicht den Wunsch, von meinen »Gästen« fehlinterpretiert zu werden. Als der Vorfall vorbei war, ging ich wieder hinein.
    Das Fußballspiel war vorüber. John hatte den Fehler gemacht zu gewinnen, aber glücklicherweise war der Herr ohne Zunge kein schlechter Verlierer.
    Dann sagte Trevor: »Graham, kann ich mal mit Ihnen sprechen?«
    »Ja, klar«, sagte ich und dachte, vielleicht kommt jetzt noch ein Kücheninterview.
    Er sagte: »Nein, kommen Sie mit hier herein.«
    »Wohin?« sagte ich.
    »Ins Badezimmer.«
    »Sehr gern«, sagte ich und fürchtete mich, ich wußte nicht recht, wovor. Eine ziemlich gräßliche, aber seltsam ferne Furcht. Ich hatte keine richtige Angst mehr; ich nehme an, es ist eine Art stumpfes Hinnehmen, wenn etwas richtig Schlimmes passieren wird und unvermeidlich ist, dann ist es eben unvermeidlich, also warum sich drüber aufregen? Ich ging also ins Badezimmer. Dort, entsetzlich, vorhersehbar, während er mir sein leeres Glas an die Kehle hielt, es drehte, als bereite er sich darauf vor, es mir durch die Halsschlagader zu rammen, sagte er: »Graham, sagen Sie die Wahrheit. Haben Sie Anna gehabt?«
    »Ich hab’s Ihnen doch gesagt, nein . Ich habe sie zweimal getroffen. Einmal bei den alten Leuten, einmal heute abend hier eine halbe Stunde lang mit der älteren Frau und in der Disko, das ist alles.« Das Glas drehte sich noch zwei- oder dreimal. Er bleckte mich an. Tage vergingen. Schließlich sah er, daß ich die Wahrheit sagte, und stellte das Glas ab. »Gut, nehmen wir einen letzten Drink, und dann hauen wir ab.«
    Es schien, als wäre die Tortur überstanden. Wir nahmen einen Drink, und ich ging ans Schlafzimmerfenster, um zu sehen, ob das Taxi noch da war. War es nicht. Der Fahrer wollte mit den Vorkommnissen dieses Abends nichts zu tun haben …. Ich sagte ihnen, daß das Taxi weg war. Trevor fluchte ein bißchen und sagte: »Keine Sorge, wir kommen schon irgendwie nach Hause.« Ich sagte ihnen, ich würde ein Taxi anrufen. Es gab in derselben Straße ein Minitaxi-Unternehmen, bei dem ich ein Konto hatte, und die wären in fünf Minuten da.
    »Nein, nein, machen Sie sich darüber keine Sorgen, Graham.«
    »Nein, ist ganz leicht, die kennen mich, kein

Weitere Kostenlose Bücher